Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Gesicht der Anderen

Das Gesicht der Anderen

Titel: Das Gesicht der Anderen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Beverly Barton
Vom Netzwerk:
alten Frau hallten in Tessas Gedächtnis wider. Vielleicht würde sie Dante dabei helfen können, sich von Amy Smith zu verabschieden, insofern er das vorhatte. Aber sie hielt es für unmöglich, dass er Amy gehen ließ.
    Dante parkte den Wagen am Straßenrand, sprang heraus und lief sofort zum Friedhofseingang. Tessa stieg aus und blieb ein paar Minuten beim Auto stehen, während sie beobachtete, wie Dante durch die Gräberreihen lief. Er war so besessen davon, Amy Smiths Grab zu finden, dass er Tessa total vergessen hatte.
    “Suchen Sie nach einem rosafarbenen Marmorstein”, hatte Deanetta ihnen mit auf den Weg gegeben. “Es ist der Einzige auf dem gesamten Friedhof.”
    Tessa durfte Dante jetzt nicht allein lassen. Aber würde sie wirklich den Mut aufbringen, sich neben ihn an ihr Grab zu stellen und ihn zu trösten, wo er doch um eine andere Frau weinte? Warum war sie bloß so eifersüchtig auf Amy Smith? Sie war doch tot! Aber er liebte sie eben immer noch, das war es.
    Plötzlich sah sie, wie Dante stehen blieb und den Blick auf einen kleinen, rosafarbenen Grabstein richtete. Die Nachmittagssonne beschien den kleinen Pinienhain am anderen Ende des Friedhofs, und die Bäume warfen ihren Schatten auf den Friedhof, den Grabstein und Dantes ausdrucksloses Gesicht.
    Plötzlich dachte Tessa nicht mehr an sich. Liebevolle Sorge um Dante erfüllte sie, und sie beeilte sich, zu ihm zu gehen. Er brauchte sie jetzt, auch wenn er es selbst vielleicht nicht wusste. Seine schlimmsten Ängste waren wahr geworden, nun musste er die schreckliche Wahrheit akzeptieren. Es gab zwar keinen Beweis dafür, dass die andere junge Frau wirklich Amy Smith gewesen war, aber es war äußerst wahrscheinlich. Amy war wohl etwa zur selben Zeit verschwunden. Offensichtlich hatte Nealy Amy Smith entsorgt und kurz danach sie, Tessa Westbrook, überfallen und entführt.
    Dante hörte Tessa nicht einmal kommen. Sie legte ihm eine Hand auf die Schulter, und sie spürte, wie er sich kurz verkrampfte.
    “Kein Name, nur das Jahr”, sagte Dante mit völlig tonloser Stimme.
    Tessa betrachtete den Grabstein. Rosa Marmor, sehr fein gestaltet, mit einem eingravierten Gedicht über die Toten, die in der sanften Brise weiterlebten, in der Morgensonne, dem leichten Regen. Daneben zwei Marmorrosen zu beiden Seiten des Grabsteins. Kein Name, nur das Jahr. Vor siebzehn Jahren.
    Es war Tessa völlig klar, wer dieses Grab und den teuren Grabstein bezahlt hatte. Aber warum? Hatte ihr Vater Mitleid mit dem Mädchen bekommen, das offensichtlich keine Familie hatte? Hatte er es aus Dankbarkeit getan, weil seine eigene Tochter am Leben geblieben war? Oder gab es noch eine andere Erklärung?
    “Vielleicht ist es nicht Amy”, sagte Dante da.
    Tessa drückte seine Schulter. “Vielleicht nicht.”
    “Aber du glaubst, sie ist es.”
    “Ich glaube, das ist sehr wahrscheinlich. Und das weißt du auch.”
    Tessa spürte, wie ein Zittern Dante erfasste.
Bitte, lieber Gott, hilf ihm. Und hilf mir, dass ich das Richtige sage und tue, damit ich ihn in dieser schlimmen Zeit unterstütze.
    “Es ist meine Schuld, dass sie tot ist”, sagte Dante.
    Tessa rückte näher an ihn heran und legte ihm den Arm um die Hüfte. “Das ist doch Unsinn. Es ist nicht deine Schuld. Eddie Jay Nealy ist der Einzige, der für ihren Tod verantwortlich ist.”
    Dante zitterte wieder. “Sie hat auf mich gewartet, und ich bin zu spät gekommen. Ich habe sie immer nach der Arbeit abgeholt. Aber ausgerechnet an diesem Abend hatte ich eine Reifenpanne, und als ich dann endlich bei ihrer Arbeitsstelle ankam, war sie nicht mehr da. Ich … ich fand den Verlobungsring, den ich ihr geschenkt hatte, auf dem Bürgersteig zusammen mit der Kette, an der sie ihn getragen hatte.”
    Tessa umarmte Dante fester und wünschte, sie könnte ihm etwas von seinem Schmerz abnehmen. Er durchlebte noch einmal die Nacht, in der er Amy verloren hatte. Dante war genauso wie sie und Amy ein Opfer von Eddie Jay Nealy geworden.
    Ich will nicht, dass dieses Monster stärker ist als wir! Ich habe mein Leben trotz meines zerstörten Körpers und meiner zerschlagenen Seele wieder aufgebaut. Wenn es mir gelungen ist, muss auch Dante die Kraft finden zu akzeptieren, was nicht mehr zu ändern ist. Er muss lernen, weiterzuleben … und neu zu lieben.
    Es war egoistisch von Tessa, sich ausgerechnet in diesem Augenblick zu wünschen, Dante würde sich in sie verlieben. Er sollte sie nicht lieben wie einst Amy Smith – die Gefühle

Weitere Kostenlose Bücher