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Das Gesicht des Drachen

Das Gesicht des Drachen

Titel: Das Gesicht des Drachen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeffery Deaver
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fort. »Das Gesamtbild. Denken wir doch mal darüber nach. Es ist Dienstag, kurz vor Tagesanbruch, an Bord der Dragon. Sie sind der Geist, ein steckbrieflich gesuchter Mann - und zwar wegen Kapitalverbrechen -, und in einer halben Stunde wird die Küstenwache Ihr Schiff aufbringen. Was tun Sie?«
    Die Passagierschlange am Abfertigungsschalter wurde immer kürzer.
    Peabody seufzte. Webley vom Außenministerium murmelte etwas; etwas wenig Schmeichelhaftes, davon war Rhyme überzeugt. Der Geist regte sich, blieb jedoch stumm.
    Da niemand ihm helfen wollte, sprach Rhyme weiter. »Ich hätte mein Geld genommen, die Dragon mit voller Kraft voraus aufs offene Meer zurückgeschickt und mich in einem Rettungsboot an Land geflüchtet. Die Küstenwache, die Polizei und die Einwanderungsbehörde wären mit der Besatzung und den Flüchtlingen so beschäftigt gewesen, dass ich mühelos das Ufer erreicht und die Hälfte der Strecke nach Chinatown zurückgelegt hätte, bevor meine Abwesenheit jemandem aufgefallen wäre. Doch was hat der Geist gemacht?«
    Rhyme sah Sachs an, die für ihn übernahm. »Er hat die Leute im Laderaum eingeschlossen, das Schiff versenkt und dann Jagd auf die Überlebenden gemacht. Und dabei hat er riskiert, selbst gefangen oder getötet zu werden.«
    »Und nachdem er nicht alle am Strand erwischt hatte«, schaltete Rhyme sich wieder ein, »ist er ihnen in die Stadt gefolgt und hat es dort weiter versucht. Warum, zum Teufel, tut er so etwas?«
    »Nun, sie waren Zeugen«, sagte Peabody. »Er musste sie töten.«
    »Aber warum? Niemand stellt diese Frage. Was würde er dadurch gewinnen?«
    Peabody und Webley vom Außenministerium schwiegen.
    »Die Passagiere auf diesem Schiff hätten lediglich in einem einzigen Fall von Menschenschmuggel gegen ihn aussagen können«, fuhr Rhyme fort. »Er wurde doch überall auf der Welt bereits wegen eines Dutzends gleichartiger Delikte gesucht. Außerdem gab es Mordanklagen - sehen Sie sich nur das Rote Bulletin von Interpol an. Es ergibt keinen Sinn, dass er all diese Risiken einging, nur um ein paar Zeugen zu töten.« Er legte eine sekundenlange Kunstpause ein. »Aber es erscheint absolut logisch, wenn die Passagiere von vornherein getötet werden sollten.«
    Rhyme registrierte bei den beiden Männern unterschiedliche Reaktionen. Peabody war bestürzt und überrascht. Die Miene Webleys vom Außenministerium drückte etwas ganz anderes aus. Er wusste genau, worauf Rhyme abzielte.
    »Sie waren Opfer«, erklärte Rhyme. »Das ist das Schlüsselwort. Wissen Sie, Sachs hat einen Brief bei ihrem Tauchausflug zur Dragon gefunden.«
    Der Geist, der Sachs angestarrt hatte, wandte sich bei diesen Worten langsam wieder Rhyme zu.
    »Einen Brief?«, fragte Peabody.
    »Darin stand sinngemäß, hier ist dein Geld und eine Liste der Opfer, die du nach Amerika mitnimmst. Sehen Sie das Gesamtbild, Gentlemen? In dem Brief stand nicht >Passagiere<, >Flüchtlinge< oder >Ferkel< - und auch nicht Ihr taktloser Begriff >Illegale<, Peabody. Es war dort wörtlich von >Opfern< die Rede. Als ich das Schreiben übersetzen ließ, war mir zunächst nicht klar, dass der Verfasser explizit diese Bezeichnung gewählt hatte. Und das Gesamtbild wird noch wesentlich schärfer, wenn wir uns anschauen, wer diese Opfer eigentlich waren es handelte sich überwiegend um chinesische Dissidenten und ihre Familien. Der Geist ist nicht nur ein Schlangenkopf, sondern auch ein professioneller Killer. Er wurde angeheuert, um die Leute zu ermorden.«
    »Der Kerl ist verrückt«, rief der Geist. »Er sucht krampfhaft nach irgendeinem Vorwand. Ich will jetzt gehen.«
    Doch Rhyme sprach weiter. »Der Geist hat von Anfang an vorgehabt, die Dragon zu versenken. Er wollte nur abwarten, bis das Schiff nahe genug an der Küste wäre, damit er und sein bangshou gefahrlos fliehen könnten. Doch ein paar Dinge gingen schief - wir hatten das Schiff aufgespürt und die Küstenwache geschickt; deswegen musste er schneller handeln als geplant. Einigen der Immigranten gelang die Flucht. Die Sprengladung war falsch berechnet gewesen, sodass das Schiff sank, bevor er seinem Assistenten Bescheid sagen konnte. Und er hatte keine Zeit mehr, sein Geld und seine Waffen zu holen.«
    »Das ist absurd«, knurrte Webley vom Außenministerium. »Peking würde niemals jemanden beauftragen, Dissidenten zu ermorden. Wir sind nicht mehr in den sechziger Jahren.«
    »Das hat Peking auch nicht, wie Sie vermutlich sehr gut wissen, Webley«, erwiderte

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