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Das Gesicht des Drachen

Das Gesicht des Drachen

Titel: Das Gesicht des Drachen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeffery Deaver
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Verzeichnis der Lebenden und der Toten ein?«
    »Ja, genau das tue ich.«
    »Und Sie sind hier, um sich von mir zu verabschieden?«
    »Nein«, antwortete Rhyme.
    »Und weswegen sind Sie hier?«, fragte Peabody argwöhnisch.
    Der Bürokrat vom Außenministerium schaltete sich ungeduldig ein. »Sie alle hier - bitte geben Sie unverzüglich den Weg frei.«
    »Er wird nicht an Bord dieser Maschine gehen«, sagte Rhyme.
    »O doch, das wird er«, entgegnete der mürrische Beamte. Er trat vor, zog die Bordkarte des Geists aus dessen Hemdtasche und wollte den Abfertigungsschalter ansteuern.
    »Noch einen Schritt auf dieses Flugzeug zu und meine Leute werden Sie festnehmen«, sagte der dicke Polizist.
    »Mich?«, knurrte Webley wütend.
    Peabody lachte schrill auf und wandte sich an Dellray. »Was soll dieser Mist?«
    »Sie sollten lieber auf meinen Freund hier hören, Harold. In Ihrem eigenen Interesse, glauben Sie mir.«
    »Fünf Minuten«, sagte Peabody.
    Lincoln Rhyme runzelte bedauernd die Stirn. »Oh, ich fürchte, es könnte ein wenig länger dauern.«
     
    ...Neunundvierzig
    Der Schlangenkopf war viel kleiner und gedrungener als Lincoln Rhyme erwartet hatte. Dieses Phänomen kannte er noch aus seiner Zeit als Leiter der forensischen Abteilung des NYPD; die Täter, gegen die er ermittelte, nahmen in seiner Vorstellung eine unverhältnismäßig große Statur an, und wenn er sie dann zum ersten Mal persönlich zu Gesicht bekam - meistens während der Gerichtsverhandlung -, war er oft überrascht, wie winzig sie wirkten.
    Der Geist stand in Handschellen zwischen seinen Bewachern. Er sah zwar besorgt aus, aber immer noch sehr beherrscht und gelassen. Schultern und Arme waren entspannt. Der Kriminalist verstand sofort, weshalb Sachs auf ihn hereingefallen war: die Augen des Geists waren die eines Heilers, eines Arztes, eines vergeistigten Mannes. Sie spendeten Trost und luden dazu ein, sich ihm anzuvertrauen. Doch nachdem er den Mann nun kannte, entdeckte Rhyme in diesem sanften Blick auch die Anzeichen eines unbarmherzigen und skrupellosen Egos.
    »Okay, Sir, was soll das Ganze?«, fragte Peabodys Freund - Webley vom Außenministerium, wie Rhyme ihn inzwischen insgeheim nannte und wie der Mann selbst sich hochtrabend bei ihm vorgestellt hatte.
    »Wissen Sie, was Leuten meines Berufsstandes manchmal passiert, Gentlemen?«, fragte er die beiden Männer. »Ich meine, forensischen Wissenschaftlern.«
    Webley vom Außenministerium wollte etwas sagen, aber Peabody hielt ihn mit einer Handbewegung davon ab. Rhyme würde sich ohnehin nicht drängen lassen. Niemand setzte Lincoln Rhyme unter Druck, wenn dieser nicht unter Druck gesetzt werden wollte.
    »Wir verlieren manchmal das Gesamtbild aus den Augen. Na gut, ich gebe zu, dass mir das häufiger passiert als beispielsweise Sachs. Sie berücksichtigt das Motiv, sie fragt danach, wieso Leute etwas tun. Mir liegt das nicht besonders. Ich nehme mir lieber die einzelnen Beweisstücke vor und setze sie an ihren Platz.« Lächelnd warf er dem Geist einen kurzen Blick zu. »So wie die Spielsteine beim Wei-Chi .«
    Der Schlangenkopf der so viel Leid über so viele Menschen gebracht hatte, sagte nichts und ließ sich auch nichts anmerken. Aus den Lautsprechern ertönte der erste Aufruf für den Flug der Northwest Airlines nach Los Angeles.
    »Was die Spuren anbelangt, haben wir gute Arbeit geleistet.« Er nickte in Richtung des Geists. »Immerhin wurde er verhaftet, nicht wahr? Dank uns. Und wir haben genügend Beweise, um ihn zum Tode verurteilen zu lassen. Doch was geschieht? Er kommt frei.«
    »Er kommt nicht frei«, widersprach Peabody. »Er wird in China vor Gericht gestellt.«
    »Aber wegen der schweren Verbrechen der letzten Tage wird ihn niemand verurteilen«, belehrte Rhyme ihn mit schneidender Stimme. »Wollen wir etwa ernstlich darüber streiten?«
    Webley vom Außenministerium hatte genug. »Kommen Sie endlich auf den Punkt, oder ich setze ihn in dieses Flugzeug.«
    Rhyme ignorierte ihn auch weiterhin. Das hier war sein Auftritt, und er würde ihn sich nicht nehmen lassen. »Das Gesamtbild. das Gesamtbild. Ich musste daran denken, wie mies ich mich gefühlt habe. Ich hatte den Standort der Fuzhou Dragon herausgefunden und die Küstenwache geschickt, und was geschieht? Er versenkt das Schiff und ermordet all diese Menschen.«
    Peabody schüttelte den Kopf. »Natürlich ist Ihnen das an die Nieren gegangen«, sagte er mitfühlend. »So wie uns allen. Aber.«
    Rhyme fuhr unbeirrt

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