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Das Gesicht des Drachen

Das Gesicht des Drachen

Titel: Das Gesicht des Drachen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeffery Deaver
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nicht«, erklärte er. »Ich bevorzuge einen westlichen Namen und nenne mich lieber Sonny.«
    »Was machen Sie hier?«, fragte Rhyme.
    »Der Geist hat in meiner Heimatstadt vor einem Jahr drei Menschen ermordet. Er hat sich mit einem kleinen Schlangenkopf in einem Restaurant getroffen. Wissen Sie, was das ist - ein kleiner Schlangenkopf?«
    Rhyme nickte. »Fahren Sie fort.«
    »Der kleine Schlangenkopf wollte ihn hintergehen. Es gab einen heftigen Kampf. Der Geist hat ihn getötet, aber gleichzeitig auch eine Frau, ihre Tochter und einen alten Mann, der dort auf einer Bank saß. Die Leute waren ihm im Weg, und er hat sie ermordet, um schneller fliehen zu können, schätze ich.«
    »Es waren unschuldige Tatzeugen?«
    Li nickte. »Wir wollten ihn verhaften, aber er hat sehr einflussreiche.« Er suchte nach einem Wort. Schließlich wandte er sich an Eddi Deng. »Guanxi.«
    »Das heißt so viel wie Beziehungen«, erklärte Deng. »Man schmiert die richtigen Leute, und schon hat man gute guanxi.«
    Li nickte. »Niemand war bereit, gegen ihn auszusagen. Dann verschwand aus dem Büro der Zentrale Beweismaterial der Schießerei. Mein Boss verlor das Interesse, und der Fall wurde kollektiviert.«
    »Kollektiviert?«, fragte Sellitto.
    Li lächelte verbittert. »Wenn etwas zunichte gemacht wird, dann sagen wir bei uns, es wird kollektiviert. Früher, zu Maos Zeit, hat die Regierung viele Firmen und Bauernhöfe in Kommunen oder Kollektive umgewandelt. Kurz darauf sind diese Betriebe dann meistens vor die Hunde gegangen.«
    »Aber für Sie war dieser Fall noch längst nicht kollektiviert«, vermutete Rhyme.
    »Nein«, sagte Li, und seine Augen waren wie harte, tiefschwarze Scheiben. »Er hat Bürger meiner Stadt ermordet. Ich wollte dafür sorgen, dass er vor Gericht kommt.«
    »Wie sind Sie auf das Schiff gelangt?«, fragte Dellray.
    »Ich habe in Fuzhou zahlreiche Informanten. Letzten Monat kam mir zu Ohren, dass der Geist zwei Männer in Taiwan umgebracht hatte, zwei wichtige, einflussreiche Männer, und für eine Weile aus China verschwinden wollte, bis die taiwanesischen Behörden nicht mehr nach ihm suchen würden. Sein Weg sollte ihn zunächst nach Südfrankreich und dann weiter ins russische Wyborg führen, um von dort aus an Bord der Fuzhou Dragon mit den Flüchtlingen nach New York zu fahren.«
    Rhyme lachte. Dieser kleine zerzauste Mann hatte mehr herausgefunden als FBI und Interpol zusammen.
    »Also bin ich abgetaucht und wurde ein Ferkel - ein Emigrant«, schloss Li.
    »Haben Sie etwas über den Geist herausgefunden?«, fragte Sellitto. »Wissen Sie, wo er sich hier aufhält oder mit wem er zusammenarbeitet?«
    »Nein, niemand hat viel mit mir geredet. Wenn die Besatzung nicht hingeschaut hat, bin ich öfter mal an Deck geschlichen - meistens weil ich mich übergeben musste.« Bei dem Gedanken an die unangenehme Überfahrt schüttelte er unwillkürlich den Kopf. »An den Geist bin ich leider nicht herangekommen.«
    »Aber was hatten Sie denn vor?«, fragte Coe. »Wir würden den Kerl doch nicht nach China ausliefern.«
    Li war offensichtlich verdutzt. »Wieso sollte ich wollen, dass er ausgeliefert wird? Sie haben mir nicht zugehört. Er hat guanxi, das sagte ich doch schon. In China würde man ihn laufen lassen. Nein, ich wollte ihn bei der Ankunft verhaften und an Ihre Sicherheitsbehörden übergeben.«
    Coe lachte. »Das meinen Sie nicht ernst, oder?«
    »Doch, genau das hatte ich vor.«
    »Er hatte seinen bangshou dabei. Die Mannschaft des Schiffs hatte auch kein Interesse an seiner Verhaftung. Hier an Land würde ein Haufen kleiner Schlangenköpfe auf ihn warten. Man hätte Sie einfach getötet.«
    »Wollen Sie damit sagen, es sei riskant gewesen? Na klar, das war es. Aber das ist unser Job, nicht wahr? Wir müssen immer ein Risiko eingehen.« Er griff nach den Zigaretten, die Dellray ihm abgenommen hatte.
    »Hier wird nicht geraucht«, sagte Thom.
    »Was soll das heißen?«
    »Dass hier nicht geraucht wird.«
    »Warum nicht?«
    »Weil es nicht gestattet ist«, stellte der Betreuer lakonisch fest.
    »Das ist doch verrückt. Sie machen keine Witze?«
    »Nein.«
    »Das in der U-Bahn war schon dämlich genug. Aber hier sind wir in einem Haus.«
    »Ja, in einem Haus, in dem Sie nicht rauchen dürfen.«
    »Blöde Scheiße«, sagte Li und steckte die Zigaretten notgedrungen wieder ein.
    Auf der anderen Seite des Raums erklang ein leiser Piepton. Mel Cooper wandte sich zu seinem Computer um. Er las die eingehende

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