Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Gesicht des Drachen

Das Gesicht des Drachen

Titel: Das Gesicht des Drachen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeffery Deaver
Vom Netzwerk:
schlich in den Keller und horchte auf Geräusche. Die Schritte des jungen Mannes stiegen die Treppe hinauf. Li wartete hinter einem hohen Kartonstapel auf seine Rückkehr, aber der Fremde hatte offenbar anderes zu tun. Man hörte oben die Dielen knarren und dann das Geräusch eines laufenden Wasserhahns. Li überprüfte die Kartons, die in dem muffigen Keller standen. Manche waren mit Kleidungsstücken gefüllt, andere schienen Andenken zu enthalten. Zertifikate, Urkunden, Diplome. Universität von Illinois, entzifferte Li mit einiger Mühe. Der American Institute of Forensic Science Achievement Award, ein Dankschreiben des Federal Bureau of Investigation, unterzeichnet vom Direktor persönlich. Dutzende vergleichbarer Dokumente.
    Der Empfänger all dieser Auszeichnungen hieß Lincoln Rhyme.
    Der blonde Mann würde anscheinend keinen Müll mehr nach unten bringen, und so verließ Li sein Versteck. Langsam schlich er sich die Stufen hinauf. Das Holz war alt, und er trat sehr vorsichtig auf, um jedes Knarren zu vermeiden. Vor der Tür am oberen Ende der Treppe hielt er inne und schob sie einen kleinen Spalt auf.
    Dann kamen die lauten Schritte mehrerer Leute auf ihn zu. Li presste sich an die hintere Wand, direkt neben einige Schrubber und Besen.
    »Wir sind in ein paar Stunden zurück, Linc«, rief jemand. »Die Spurensicherung soll hier anrufen...« Den Rest konnte Li nicht mehr verstehen.
    Die Schritte machten Halt. »He, Lincoln, soll einer von uns bleiben?«, fragte ein anderer Mann.
    »Bleiben?«, antwortete jemand gereizt. »Auf keinen Fall. Ich habe eine Menge Arbeit zu erledigen, und ich will nicht gestört werden.«
    »Ich meine bloß, es sollte jemand mit einer Waffe in der Nähe sein. Der Geist ist spurlos von der Bildfläche verschwunden. Sein Assistent auch. Sie haben selbst gesagt, wir müssten auf uns aufpassen.«
    »Wie soll er mich denn ausfindig machen? Woher soll er wissen, dass ich hier wohne? Ich brauche keinen Babysitter. Ich brauche diese verdammten Informationen, die Sie mir besorgen sollen.«
    »Okay, okay.«
    Die Leute gingen weiter, eine Tür öffnete und schloss sich. Dann herrschte Stille. Sonny Li lauschte einen Moment. Er schob die Kellertür weiter auf und sah hinaus. Vor ihm erstreckte sich ein langer Korridor zum Vordereingang, durch den die Männer - wahrscheinlich andere Sicherheitsbeamten - das Haus gerade verlassen hatten.
    Zu seiner Rechten lag der Durchgang in ein Wohnzimmer, wie er vermutete. Um Dielengeräusche zu vermeiden, hielt Li sich dicht an der Wand und folgte dem Gang. Vor dem Wohnzimmer blieb er stehen und warf einen schnellen Blick um die Ecke. Seltsam: Der Raum war voller Geräte - Computer, Tische, Diagramme und zahllose Bücher. Damit hatte er in diesem schönen alten Haus nun wirklich nicht gerechnet.
    Noch seltsamer war allerdings der dunkelhaarige Mann, der mitten im Zimmer in einem roten Rollstuhl saß, auf einen Computermonitor starrte und vermeintlich Selbstgespräche führte. Dann erkannte Li jedoch, dass der Mann in ein Mikrofon neben seinem Mund sprach und auf diese Weise dem Computer Befehle erteilte, denn der Bildschirm reagierte auf seine Worte.
    War dieses Geschöpf Lincoln Rhyme?
    Nun ja, es spielte eigentlich keine Rolle, um wen es sich handelte, und außerdem hatte Li keine Zeit für Vermutungen. Er wusste nicht, wann die anderen Beamten zurückkehren würden.
    Sonny Li hob die Pistole und betrat den Raum.
     
    ...Dreizehn
    Er schlich einen Meter vor. Dann noch einen. Sonny Li war ein schmächtiger Mann und bewegte sich leise.
    Kurz bevor er den Rollstuhl erreicht hatte, ließ er den Blick über die Tische schweifen und hielt nach Beweisen oder Informationen über den Geist Ausschau. Er würde.
    Li hatte keine Ahnung, woher die Männer plötzlich kamen.
    Einer von ihnen - viel größer als Li - war schwarz wie Kohle und trug einen Anzug und ein leuchtend gelbes Hemd. Er hatte sich neben dem Eingang an die Wand gedrückt, riss Li mit einer nahtlos flüssigen Bewegung die Waffe aus der Hand und hielt ihm eine Pistole an die Schläfe.
    Ein anderer Mann, klein und fett, warf Li zu Boden, kniete sich auf seinen Rücken und trieb ihm dadurch die Luft aus der Lunge, während gleichzeitig ein heftiger Schmerz durch seinen Bauch und die Seiten zuckte. Bevor er wusste, wie ihm geschah, klickten auch schon die Handschellen.
    »Englisch?«, fragte der Schwarze.
    Li war zu erschrocken, um zu antworten.
    »Ich frage Sie noch einmal, Kumpel. Sprechen. Sie.

Weitere Kostenlose Bücher