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Das Gesicht des Drachen

Das Gesicht des Drachen

Titel: Das Gesicht des Drachen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeffery Deaver
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Loaban. Darf ich?«
    »Meinetwegen«, willigte Rhyme ein. »Aber draußen. Und würde ihn, um Himmels willen, bitte jemand begleiten?«
     
     
    ... Vierzehn
    Wu Qichen wischte seiner Frau den Schweiß von der Stirn.
    Zitternd, fiebrig und nass geschwitzt lag sie auf einer Matratze im Schlafzimmer der winzigen Wohnung.
    Die Kellerräume befanden sich in einer Seitengasse der Canal Street, mitten in Chinatown. Jimmy Mahs Makler hatte sie ihnen vermittelt - nach Wus Überzeugung ein Wucherer. Die Miete war lächerlich hoch, genau wie die Gebühr, die der schmierige Kerl verlangt hatte. Die Wohnung stank, war äußerst spärlich möbliert, und überall huschten Kakerlaken herum - sogar jetzt, im Schein der Mittagssonne, deren trübes Licht durch die dreckigen Fenster fiel.
    Besorgt musterte Wu seine Frau. Die furchtbaren Kopfschmerzen, unter denen Yong-Ping an Bord der Dragon gelitten hatte, die Lethargie, der Schüttelfrost und die Schweißausbrüche, all die vermeintlichen Anzeichen einer Seekrankheit, waren auch nach der Landung nicht verschwunden. Sie litt an etwas anderem.
    Seine Frau öffnete die vor Fieber glasigen Augen. »Falls ich sterbe.«, flüsterte sie.
    »Du wirst nicht sterben«, sagte ihr Mann.
    Doch Wu war sich dessen nicht sicher. Er musste an Dr. John Sung im Frachtraum der Dragon denken und wünschte, er hätte den Mann gebeten, nach seiner Frau zu sehen. Mehrere Flüchtlinge waren mit ihren diversen Leiden bei Sung vorstellig geworden, aber Wu hatte befürchtet, der Arzt könnte für die Untersuchung von Yong-Ping Geld verlangen.
    »Schlaf jetzt«, sagte Wu ernst. »Du brauchst Ruhe, dann wird es dir besser gehen. Warum hörst du nicht auf mich?«
    »Falls ich sterbe, musst du dir eine neue Frau suchen. Eine, die sich um die Kinder kümmert.«
    »Du wirst nicht sterben.«
    »Wo ist mein Sohn?«, fragte Yong-Ping.
    »Lang ist im Wohnzimmer.«
    Er warf einen Blick nach nebenan und sah den Jungen auf dem Sofa sitzen, während Chin-Mei Wäsche auf eine Leine hängte, die quer durch den Raum gespannt war. Bei ihrer Ankunft hatten sie alle zunächst geduscht und dann die sauberen Sachen angezogen, die Wu in einem Discountladen an der Canal Street gekauft hatte. Nach dem Essen - von dem Yong-Ping keinen Bissen herunterbrachte - hatte Chin-Mei ihren Bruder vor den Fernseher gesetzt und die salzwasserverkrustete Kleidung in der Küchenspüle gewaschen. Nun hängte sie alles zum Trocknen auf.
    Wus Frau sah sich im Raum um und kniff die Augen zusammen, als versuche sie sich ins Gedächtnis zu rufen, wo sie war. Schließlich gab sie es auf und ließ den Kopf auf das Kissen sinken. »Wo. wo sind wir?«
    »Wir sind in Chinatown, in Manhattan, in New York.«
    »Aber.« Sie runzelte die Stirn, weil ihr fieberkranker Verstand die Bedeutung der Worte nur mit Verzögerung erfasste. »Der Geist. Wir können hier nicht bleiben. Es ist nicht sicher. Sam Chang hat gesagt, wir sollten nicht bleiben.«
    »Ach, der Geist.« Er winkte ab. »Der ist nach China zurückgekehrt.«
    »Nein«, sagte Yong-Ping. »Das glaube ich nicht. Ich habe Angst um unsere Kinder. Wir müssen verschwinden. Wir müssen so weit wie möglich von hier fliehen.«
    »Kein Schlangenkopf würde riskieren, verhaftet oder erschossen zu werden, nur um ein paar entwischte Immigranten aufzuspüren«, versicherte Wu. »Bist du wirklich so dumm, das zu glauben?«
    »Bitte, Qichen. Sam Chang hat gesagt.«
    »Vergiss Chang. Er ist ein Feigling.« Er wurde wütend. »Wir bleiben hier.« Aber sein Zorn über ihren Ungehorsam legte sich sogleich wieder, und leise fügte er leise hinzu: »Ich gehe jetzt und besorge dir Medizin.«
    Sie reagierte nicht, also stand er auf und ging ins Wohnzimmer.
    Die Kinder sahen ihm schüchtern entgegen.
    »Geht es ihr besser?«, fragte das Mädchen.
    »Ja, sie wird wieder gesund. Ich bin in einer halben Stunde zurück«, sagte er. »Ich hole ihr etwas Medizin.«
    »Warte, Vater«, rief Chin-Mei verunsichert und mit gesenktem Kopf.
    »Was ist denn?«
    »Darf ich mitkommen?«, fragte sie.
    »Nein, du bleibst bei deiner Mutter und deinem Bruder.« »Aber.«
    »Was?«
    »Ich brauche etwas.«
    Eine Modezeitschrift?, dachte er zynisch. Makeup? Haarspray? Sie will, dass ich unser letztes Geld für ihr hübsches Gesicht ausgebe. »Was?«
    »Bitte lass mich mitkommen. Ich kaufe es selbst.« Sie wurde rot.
    »Was willst du?«, fragte er barsch.
    »Ich brauche etwas für.«, flüsterte sie und wich seinem Blick aus.
    »Wofür?«, schimpfte er.

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