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Das Gesicht des Fremden

Das Gesicht des Fremden

Titel: Das Gesicht des Fremden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
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übrigens eine Niete. Absolut respektabel, arbeitet seit zwanzig Jahren in der Gegend, hat eine Frau und sieben oder acht Kinder. Es hat nie irgendwelche Beschwerden gegen ihn gegeben.«
    »Hm.« Monk nickte. »Grimwade sagt, er hätte keinen Fuß ins Haus gesetzt. Er glaubt sogar, daß er nicht mal abgestiegen ist.«
    »Was soll ich wegen diesem Yeats unternehmen?« erkundigte sich Evan; ein schwaches Lächeln umspielte seinen Mundwinkel. »Morgen ist Sonntag – kein guter Tag, um viel ans Licht zu bringen.«
    Daran hatte Monk nicht gedacht.
    »Stimmt. Warten Sie bis Montag. Das Ganze liegt fast sieben Wochen zurück, ist sowieso keine heiße Spur mehr.«
    Das Lächeln auf Evans Gesicht wurde blitzschnell breit.
    »Danke, Sir. Einen Sonntag kann ich mir wirklich anders vorstellen.« Er stand auf. »Schönes Wochenende, Sir. Gute Nacht.«
    Monk schaute ihm nach. Er fühlte sich allein gelassen und wußte gleichzeitig, daß das Unsinn war. Evan hatte selbstverständlich auch andere Interessen, Freunde, Familie oder eine Freundin. Was fing er gewöhnlich mit seiner Freizeit an? Besuchte er Freunde, ging er irgendeiner Nebenbeschäftigung oder einem Hobby nach? Er mußte doch mehr zu bieten haben als diese Zielstrebigkeit, diesen Ehrgeiz, den er bis jetzt an sich entdeckt hatte.
    Er war noch damit beschäftigt, sich erfolglos das Hirn zu zermartern, als es kurz an seine Tür klopfte.
    »Herein!« sagte Monk laut und deutlich.
    Die Tür schwang auf, und ein stämmiger, junger Bursche in Konstableruniform betrat den Raum. Sein Blick war ängstlich, das ziemlich unscheinbare Gesicht leicht gerötet.
    »Ja?« fragte Monk.
    Sein Gegenüber räusperte sich. »Mr. Monk, Sir?«
    »Ja?« Wiederholte Monk. Sollte er den Mann kennen? Seinem wachsamen Gesichtsausdruck nach zu schließen mußte in ihrer gemeinsamen Vergangenheit etwas geschehen sein, das zumindest ihn stark beeindruckt hatte. Er stand mitten im Raum und trat nervös von einem Fuß auf den anderen. Monks schweigsames Starren machte es auch nicht gerade besser.
    »Kann ich was für Sie tun?« erkundigte er sich schließlich und versuchte so beruhigend wie möglich zu klingen. »Haben Sie vielleicht eine Nachricht für mich?« Er wünschte, er wüßte den Namen seines Besuchers.
    »Nein, Sir – ich mein, ja, Sir, ich muß Sie was fragen.« Er holte tief Luft. »Hier ist der Bericht über ’ne Uhr, die heut nachmittag bei ’nem Pfandleiher aufgetaucht ist, Sir, und – und da hab ich mir gedacht, vielleicht hat’s ja was mit dem Gentleman zu tun, den sie umgebracht haben – weil er doch bloß ’ne Kette ohne Uhr dran bei sich hatte, richtig? Hier, Sir.« Er streckte Monk ein mit gestochen scharfen Buchstaben übersätes Papier entgegen, als würde es jeden Moment in die Luft gehen.
    Monk befreite ihn von seiner Bürde und überflog den Bericht kurz. Es handelte sich um die Beschreibung einer goldenen Herrentaschenuhr, in deren Deckel die verschnörkelten Initialen J. G. eingraviert waren. Die Innenseite war leer.
    »Danke«, sagte er lächelnd. »Klingt vielversprechend, die Initialen stimmen jedenfalls. Was wissen Sie über die Sache?« Der Konstabler wurde puterrot. »Nicht viel, Mr. Monk. Der Typ von der Pfandleihe schwört Stein und Bein, daß er sie von ’nem Stammkunden gekriegt hat, aber dem darf man kein Wort glauben, weil er sowieso nix andres sagen würde, richtig? Der hat bestimmt keine Lust, in ’nen Mordfall verwickelt zu werden.«
    Monk besah sich das Blatt noch einmal. Es enthielt Namen und Adresse des Pfandleihers, also konnte er der Spur nachgehen, wann immer er Lust dazu verspürte.
    »Ja, er würde zweifellos lügen«, pflichtete er dem jungen Polizisten bei. »Trotzdem bringt es uns vielleicht ein gutes Stück weiter, wenn wir beweisen können, daß es sich tatsächlich um Greys Uhr handelt. Nochmals vielen Dank – da haben Sie sehr gut aufgepaßt. Darf ich den Bericht behalten?«
    »Sicher, Sir. Wir brauchen ihn nicht; wir haben genug andre Sachen gegen den Kerl auf Lager.« Jetzt war der Grund für das kräftige Rosarot seines Gesichts in der offenkundigen Freude und der beträchtlichen Verwunderung seines Besuchers zu finden. Er stand wie angewurzelt da.
    »Gib’s sonst noch was?« Monk hob die Brauen.
    »Nein, Sir. Nein, alles in Ordnung! Vielen Dank, Sir.« Mit diesen Worten machte der Konstabler auf den Hacken kehrt, um aus dem Zimmer zu flüchten, stolperte über die Tür schwelle und schoß dann wie eine Rakete davon.
    Fast im

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