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Das Gesicht des Fremden

Das Gesicht des Fremden

Titel: Das Gesicht des Fremden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
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Monk.«
    »Ich fürchte, fast alle Menschen sind zu einem Mord imstande, wenn sie genügend unter Druck stehen oder das bedroht sehen, was sie am meisten lieben, Ma’am.«
    »Da bin ich anderer Meinung.« Ihr Tonfall wies daraufhin, daß das Thema für sie beendet war; wie zur Bekräftigung drehte sie den Kopf ein wenig zur Seite.
    »Hoffen wir, daß sie selten sind.« Er unterdrückte mit Mühe den Impuls aufzubrausen. »Allem Anschein nach existiert zumindest einer, und Ihnen liegt gewiß daran, ihn zu finden – vermutlich noch mehr als mir.«
    »Sie haben eine flinke Zunge, junger Mann.« Sie sagte es ungern, fast tadelnd. »Und was erhoffen Sie sich von mir?«
    »Eine Liste seiner engsten Bekannten. Freunde der Familie, Einladungen, denen er in den letzten Wochen vor seinem Tod nachgekommen ist, besonders übers Wochenende oder länger – alles, was Ihnen in der Richtung einfällt. Vielleicht gab es ja eine Frau, für die er sich interessiert hat.« Über ihre makellosen Züge glitt ein unwilliger Ausdruck. »Er muß ein ausgesprochen anziehender Mensch gewesen sein.«
    »Das war er.« Ihr Mund zuckte kaum merklich, und ihr Blick geriet flüchtig ins Wanken, als sie sekundenlang von ihrem Schmerz überwältigt wurde. Doch sofort war jegliche Gefühlsregung wieder ausradiert und alles so glatt und perfekt wie zuvor.
    Monk ließ ihr Zeit. Zum erstenmal bekam er eine Ahnung vorn wahren Ausmaß ihres Kummers.
    »Gab es eventuell eine Dame, die sich stärker zu ihm hingezogen fühlte, als ihre übrigen Verehrer oder gar ihr Ehemann hinnehmen konnten?« fragte er nach einer Weile in beträchtlich sanfterem Ton, obwohl seine Entschlossenheit, Joscelin Greys Mörder zu finden, eher noch zugenommen hatte und ihm eigentlich jede Rücksichtnahme verbat.
    Lady Fabia dachte eine Zeitlang nach, ehe sie beschloß, darauf einzugehen. »Ausgeschlossen ist es nicht«, meinte sie schließlich. »Vielleicht war irgendeine junge Person zu unbedacht und hat durch ihr Verhalten Eifersucht provoziert.«
    »Zum Beispiel bei jemandem, der ein bißchen zuviel getrunken hatte?« forschte Monk mit einem Taktgefühl, das ihm normalerweise völlig fremd war. »Und mehr dahinter sah, als tatsächlich war?«
    »Ein Gentleman weiß, wie man sich benimmt.« Sie schaute Monk mit leicht herabgezogenen Mundwinkeln an. Der »Gentleman« sollte ihm offenbar eine Lehre sein. »Auch wenn er zuviel getrunken hat. Aber leider sind manche Leute bei der Wahl ihrer Gäste nicht so anspruchsvoll, wie sie sein sollten.«
    »Es wäre sehr freundlich, wenn Sie mir ein paar Namen und Adressen nennen könnten, Ma’am. Ich werde die Nachforschungen so diskret wie möglich durchführen und Ihren Namen selbstverständlich nicht erwähnen. Ich denke, jeder, der ein reines Gewissen hat, ist genauso erpicht darauf, Major Greys Mörder zu finden, wie Sie.«
    Dieses Argument entbehrte nicht einer gewissen Logik, was sie mit einem kurzen Blick direkt in seine Augen belohnte.
    »Also schön. Wenn Sie etwas zum Notieren dabeihaben, werde ich Ihnen den Gefallen tun.« Sie streckte die Hand nach dem Rosenholztischchen aus, das gleich neben ihr stand, zog eine Schublade auf und entnahm ihr ein Adreßbuch mit Ledereinband und Goldziselierung.
    Monk zückte Stift und Papier und geriet etwas aus der Fassung, als Lovel Grey plötzlich hereinschneite. Er trug auch diesmal bequeme Kleidung: Kniebundhosen und ein Norfolkjackett aus abgetragenem Tweed. Bei Monks Anblick verdüsterte sich seine Miene.
    »Wenn Sie etwas zu berichten haben, Mr. Monk, wenden Sie sich gefälligst an mich!« sagte er erbost. »Wenn nicht, sehe ich keinen Sinn in Ihrer Anwesenheit, es sei denn, Sie wollen meine Mutter um jeden Preis quälen. Ich bin ohnehin überrascht, Sie wieder hier zu sehen.«
    Monk stand instinktiv auf und ärgerte sich, daß ihm diese unumgängliche Geste der Ehrerbietung derart in Fleisch und Blut übergegangen war.
    »Ich bin gekommen, Mylord, weil ich weitere Informationen brauche. Lady Shelburne war so freundlich, sie mir zu geben.« Er spürte, wie ihm das Blut in die Wangen stieg.
    »Wir können Ihnen nichts, aber auch gar nichts sagen, das auch nur im geringsten von Bedeutung wäre«, fuhr Lovel ihn an.
    »Um Himmels willen, Mann – können Sie Ihren Job nicht erledigen, ohne alle paar Tage hier aufzukreuzen?« Er marschierte ruhelos auf und ab, wobei er mit einer kurzen Reitpeitsche ungehalten gegen sein Bein klopfte. »Wir können Ihnen nicht helfen! Wenn Sie geschlagen

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