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Das Gesicht des Teufels

Das Gesicht des Teufels

Titel: Das Gesicht des Teufels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kay Cordes
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Anspannung. Sie riss den Riegel zur Seite und warf sich Bernward an die Brust. Überrascht hielt er inne, schließlich umarmte er sie zaghaft. Er drückte sie an sich und streichelte ihr sanft über den Rücken.
    «Ulrich und seine Mutter sind von einer Schar Aufständischer auf ihrem Gut gefangen gesetzt worden», begann er schließlich seinen Bericht, «wegen Mahut, weißt du? Sie warten dort auf andere Aufständische. Sie zwingen Ulrich, er soll zahlen und sie unterstützen. Sonst   …»
    «Sonst?»
    Hanna löste sich aus der Umarmung und schaute Bernward geradewegs an. Ihre Augen weiteten sich vor Schreck. Bernward aber wich ihrem Blick aus, schwieg.Seine Miene fror ein, gleichzeitig spürte er, wie seine Sorge um Hanna ihn zu überwältigen drohte. Am liebsten hätte er sie wieder an sich gerissen und sie so lange festgehalten, bis sie an seiner Brust eingeschlafen wäre. Stattdessen aber packte ihn wachsende Verzweiflung.
    Sie glaubt mir nicht, dachte er. Mit jeder Faser ihres Leibes spürt sie, dass die Schicksalsgöttin sie gerade im Visier hat und mit ihren Fäden einspinnt.
    Bernward riss sich zusammen. «Sonst? Ich weiß nicht, was sie jetzt fordern. Aber Ulrich kann sich seiner eigenen Leute gewiss sein. Sie würden kaum kampflos zulassen, dass das Gut eingeäschert wird.»
    «Das soll ich glauben?»
    «Du willst sagen, du bleibst hier?»
    «Ja. Oder nicht?»
    «Das ist gut», antwortete er schnell. «Glaube mir, Priorin Agathe wird keinem Büttel die Tür öffnen. Sonst hätte sie es sich auf ewig mit ihrem Bruder verdorben. Hier bist du sicher. Da mag diese Frederike von Neustett stänkern wie ein Waschweib, das zu viel Bohnen im Leib hat.»
    Bernward spürte, wie die Last weniger wurde. Noch einmal umarmte er Hanna, darauf verließ er hastig das Kloster.
    Auf Hannas Lippen aber spielte ein geheimnisvolles Lächeln. Blicklos schaute sie aus dem Fenster. Eine Melodie, die sie noch niemals zuvor gehört hatte, breitete sich in ihr aus. Oder war es gar keine Melodie? Hanna war sich nicht mehr sicher, denn plötzlich staute sich das Wort Kelch hinter ihrer Stirn. Sie hatte das Gefühl, jeden Moment von einer Vision überwältigt zu werden, doch statt Bilder zu sehen, ergriff sie ein Gefühl schaler Leere.
    Jetzt verstand sie, was das Wort Kelch ihr sagen wollte. Sie verstand es deswegen, weil auf einmal andere Worte dazugekommen waren: Sie hatte sie erst kürzlich mitMarie gelesen, und mehr als alle anderen passten sie in diese vorösterliche Zeit. Es waren heilige Worte   … die Worte Christi selbst. Und sie lauteten: Nicht wie ich will, sondern wie du willst.

26
    Es war noch dunkel, als sie auf die Klinggasse trat. Nur die Vögel waren schon wach, und mit jedem Schritt klang ihr Gezwitscher aufgeregter, fast schien es Hanna, sie würde ausgeschimpft. Doch ihr Plan war unumstößlich: Sie wollte zu Ulrich und ihm beistehen, so wie es sich für eine gute Frau geziemte. Alles andere lag in Gottes Hand. Nicht wie ich will, sondern wie du willst, Herr Jesus, dachte sie, genau so werde ich es halten.
    Doch ihre Tapferkeit ruhte auf schwachen Füßen. Hanna fühlte sich völlig hilflos, und das Herz flatterte in ihrer Brust wie das eines im Netz hängenden Vogels.
    Jesus hilf, schrie sie im Stillen und blieb weinend stehen.
    Eine Amsel schmetterte los. Verzagt ging sie weiter.
    Ein paar Schritte später spürte sie ein sanftes Säuseln. Beim Klingentor schließlich hatte der Wind so zugenommen, dass er ihr leergeweintes blasses Gesicht kühlte. Längst war er nicht mehr so lau wie an den Tagen zuvor, dafür duftsatt und voll erwachenden Lebens. Hanna atmete tief ein. Es roch nach Acker und Gras, nach Mist, Gewürm, Eisen und Stein   – Gerüche, die stärker waren als der kalte Hauch, der den Mauern rechts und links der Klinggasse entströmte.
    Und wenn ich auch wandelte im finstern Tal, fürcht ich kein Unglück, denn du bist bei mir, du tröstest mich. Stillbetete Hanna diese Textstelle aus dem dreiundzwanzigsten Psalm vor sich her, um den heutigen Tag siegreich zu bestehen. Und als solle sie ein Zeichen erhalten, wurde just in diesem Moment das Stadttor aufgezogen. Die Männer vor dem Tor waren Rothenburger Reisige mit Brustpanzer und Helm. Selbstbewusst reckten sie ihre Hellebarden in die Luft und steckten unter den Augen ihres Anführers sowohl die Rothenburger als auch die Bundschuh-Fahne in den Fahnenhalter.
    «Wartet, Schwester», beschieden sie Hanna selbstbewusst, die die schwarze Kutte der

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