Das Gesicht des Teufels
Hexe.»
Er stieß sie zu Boden. Zwei Pfiffe gellten durch die Luft, und nicht lange darauf hörte Hanna Ulrich verzweifelt ihren Namen rufen. Doch sie ließen ihn nicht zu ihr. Zwei Männer hielten ihn fest, er musste zusehen, wie Paul Ickelsheimer Befehl gab, Hanna auf die Füße zu helfen.
Ein Lächeln glitt über Hannas verquollenes Gesicht, obwohl ihre Lippen aufgeplatzt waren und ein Auge bereits halb zugeschwollen war.
«Ulrich, ich wollte zu dir.»
Tränen liefen ihr übers Gesicht. Sie versuchte, die Hände nach ihm auszustrecken, aber sie wurden ihr hinter dem Rücken festgehalten. Ulrich schrie wütend auf. Wie ein Stier im Geschirr nahm er alle Kraft zusammen und stampfte auf Hanna zu. Die Halssehnen traten hervor, Schweißtropfen standen ihm auf der Stirn. Sein Gesicht war verzerrt vor Anstrengung und Qual, aber es gelang ihm nicht, sich Hanna mehr als einen Schritt zu nähern.
«Warum tut ihr das?» Er mühte sich, den Ton seiner Stimme zu mäßigen, doch der aufgestaute Zorn ließ sie gefährlich beben. «Ich habe euch längst gesagt, dass ich Schmerzensgeld zahle. Lasst sie aus dem Spiel. Sie kann nichts dafür, dass mein Hengst durchgegangen ist. Bitte!»
Statt ihm zu antworten, hielt ihm Paul Ickelsheimer ein Messer an die Gurgel.
«Bitte hört auf!», flehte Hanna.
«Bestimmt, Hexchen. Wenn er sein Deutschherren-Maul aufmacht und sagt, was dir blüht.» Der Bauernführer erhöhte den Druck seines Messers. Blut floss, als sich die Spitze immer tiefer in Ulrichs Haut bohrte.
«Hört auf! Ich werde es ihr sagen.» Katharina von Detwangs Stimme klang scharf und selbstbewusst. Sie war ebenfalls auf den Hof herausgetreten, jetzt riss sie sich von den Reisigen los und umarmte Hanna. «Mein tapferes Kind. Das hast du nicht verdient.» Mit Tränen in den Augen küsste sie sie auf die Stirn und tupfte ihr das Blut von den Lippen. Dann umarmte sie sie wieder und hielt sie so lange fest, bis sie zurückgezogen wurde.
«Nur Mut, hohe Herrin», höhnte Paul Ickelsheimer. «Schenkt ihr reinen Wein ein.»
«Sie wollen, dass du dich einem Gottesurteil stellst, Hanna.» Katharina von Detwang schaute Hanna offen ins Gesicht. «Für die meisten hast du dich wegen deiner Gesichte mit dem Leibhaftigen eingelassen. Deine Prophezeiung, die Aufständischen würden das Osterfest nicht heiligen und die Kirche in Kobolzell schänden, sorgt für Unruhe. Sie sagen, dies hätte dir alles der Teufel eingeflüstert, und dann hätte er sich deiner bedient, das Antoniusfeuer ausbrechen zu lassen.»
«Das alles ist nicht wahr!»
«Das wissen wir doch. Aber dieses abergläubische Gesindel …»
Katharina von Detwang wollte Hanna wieder in den Arm nehmen, doch sie wurde genauso wie Ulrich ins Haus zurückgeführt. Zitternd sah Hanna ihnen nach. Sie hatte das Gefühl, von den gierigen Blicken ihrer Peiniger und Ankläger aufgespießt zu werden. Die Männer zogen den Kreis immer enger. Hanna rang nach Luft.
Nicht wie ich will, sondern wie du willst.
Wieder und wieder kreiste dieser Satz in ihrem Kopf, zugleich wuchs in ihr das Gefühl auswegloser Leere und Einsamkeit.
Die schwüle Luft drückte von einem grauen Himmel auf sie herab, die Sonne hatte den Kampf gegen die Wolken verloren.
Kraftlos sank Hanna auf die Knie. Sie fühlte sich wie ausgelöscht, wie ein erkalteter Haufen feuchter Asche. Sich einem Gottesurteil zu unterziehen bedeutete, darauf zu vertrauen, als Unschuldige die Bewährung zu bestehen, weil Gott einem beistand. Er würde ein Wunder geschehen lassen, denn niemals würde er zulassen, dass einem Unschuldigen Leid geschah.
«Trägst du ein glühendes Hufeisen sieben Schritt und hast nach drei Tagen keine eiternde Wunde mehr, bist du frei. Bestehst du nicht, liefern wir dich als Hexe ans neue Rothenburger Kollegium, und dein verhexter Deutschherr wird zusehen, wie wir mit seinem Hausrat hier ein hübsches Feuerchen entfachen.»
Paul Ickelsheimer stemmte die Hände in die Seite und schaute auf sie herab. Hanna rührte sich nicht. Schließlich aber hob sie den Kopf und nickte.
Alles Flehen war vergeblich gewesen, Ulrich hatte seine Stimme eingebüßt, und auch seine Mutter brachte keinen Ton mehr über die Lippen. Beiden blieb ihnen jetzt nur noch das Gebet und die Hoffnung auf ein Wunder.
Die schlimmste Stunde ihres Lebens brach an. Just in dem Moment ritt ein Kundschafter in den Hof und posaunte hinaus, das neue Rothenburger Kollegium habe entschieden, sie, die Aufständischen, als christliche
Weitere Kostenlose Bücher