Das Gesicht des Teufels
sie Hufschlag, der wenig später vor der Klosterpforte erstarb. Ein Reiter sprang ab, seine Stiefel knirschten auf dem Pflaster. Gleich darauf krachte der schwere Türklopfer gegen das Holz. Unschlüssig wandte Hanna sich um: Durfte sie sich erlauben, die Pforte zu öffnen?
Nein, entschied sie. Ich bin hier schon schlecht genug angesehen. Selbst wenn ich wüsste, dass es Ulrich ist, müsste ich so lange warten, bis die Pförtnerin den Riegel zur Seite schiebt.
Wieder krachte es, kräftig und mehrfach hintereinander. Also schien es wichtig zu sein.
«Schwester Rose!» Hanna lief in den Hof. «Schwester Rose!»
Ein Fenster im Haupthaus wurde geöffnet, und die Pförtnerin schaute barhäuptig ohne Skapulier heraus. «Was ist denn?», stöhnte sie widerwillig.
«Besuch! Da will jemand zu uns. Es ist dringend.»
«Herrgott, ich kann jetzt nicht. Frag, wer es ist, und komm dann wieder. Die Priorin hat uns verboten, Besuche von … na, du weißt schon, was ich meine, zu empfangen.»
Hanna eilte zurück und öffnete das Fensterlädchen.
«Hegemeister Bernward, Ihr?»
«Hanna, schnell, ich muss zur Priorin.» Ohne länger zu überlegen, schob Hanna den schweren Riegel zurück. Hoffentlich nicht wegen mir, dachte sie, und die Angst schnürte ihr den Hals zu. «Führst du mich zu ihr?»
«Ist es so dringend?»
«Wenn du wüsstest, was los ist …»
«Ihr habt von … davon gehört, dass Ulrich der Hengst durchgegangen ist? Wie geht es den Opfern? Wisst Ihr etwas?»
Hanna hörte ihr Blut in den Ohren rauschen. Ihr Mund brannte, und auf einmal fühlte sie sich so schwach, dass sie stehen bleiben musste. Bernward fasste sie bei den Schultern. Seine Miene war von Sorgen gezeichnet, trotzdem spielte ein Lächeln um seinen Mund. Hanna wäre ihm am liebsten gegen die Brust gesunken, aber da war wieder Bernwards seltsamer Blick: Als sei er im Begriff, sie etwas zu fragen, als suche er eine Antwort bei ihr.
«Ich bin im Bilde, Hanna», antwortete er, und auf einmal rutschte sein Blick weg. «Tot ist keiner. Aber Ulrichs Hengst hat da ganz schön was angerichtet. Nein, natürlich nicht schön, aber auch unter den jetzigen Umständensollten wir hoffen, dass Geld Wunden besser und schnell heilen lässt. Mach dir nicht unnötig Sorgen. Sie machen nur alt und hässlich.»
Seine Stimme klang nur wenig überzeugt. Hegemeister, Ihr schwatzt da bloß irgendetwas zusammen, dachte sie. Als ob in Wahrheit alles noch viel schlimmer wäre.
Sie führte Bernward ins Haupthaus, stieg mit weichen Knien die Treppe hoch. Die Privaträume der Priorin lagen im zweiten Stock des Seitenflügels, gegenüber dem Kreuzgang, den sie von ihrem Schreibtisch aus immer im Blick hatte. Bislang war Hanna erst einmal hier gewesen: Marie und sie sollten ihr aus der Heiligen Schrift vorlesen, Agathe wollte sich persönlich vergewissern, ob sie bei der Bibliotheksschwester wirklich etwas lernten.
Schon von weitem hörten sie eine erregte Frauenstimme: «Es ist nicht hinnehmbar, Agathe. Ihr müsst ein Machtwort sprechen.»
Hanna lief es kalt den Rücken herunter, denn sie hatte die Stimme erkannt. Wer da zu Besuch war …, es war zum Heulen. In den letzten Tagen hatte sich einfach alles gegen sie verschworen.
Zaghaft klopfte sie.
«Herr im Himmel, ich will nicht gestört werden!»
Noch nie hatte Hanna Agathe von Detwang so barsch gehört. Hilflos sah sie Bernward an, der sich laut räusperte und dann selbst klopfte: «Verzeiht, aber es ist wichtig.»
Agathe riss die Tür auf.
«Wer hat Euch erlaubt …»
Agathe von Detwangs Miene erstarrte, als sie Hanna erblickte.
«Sie hat nur meinen inständigen Bitten nachgegeben. Eure Pfortenschwester nämlich scheint anderes zu tun zu haben.»
«Seht Ihr? Schon wieder sie!», kreischte Frederike undstürzte an die Tür. «Nie ist man vor ihr sicher, dieser Hexe. Ihre schmutzigen Finger sind überall.»
Bestürzt schlug Hanna sich die Hände gegen die Ohren und rannte fort. Sich jetzt auch noch gegen Frederike wehren zu müssen, dazu fehlte ihr jegliche Kraft. Agathe rief ihr nach, sie solle zurückkommen, doch Hanna hörte nicht auf sie. Ihr wollt mich ja doch nur beleidigen, dachte sie verzweifelt. Ihr und euer Dünkel! Nur weil ihr euch die Mühe gemacht habt, reich geboren zu werden, schaut ihr auf die herab, die der Herr an einen anderen Platz gestellt hat. Sollen euch die Bauern ruhig tüchtig einheizen. Damit auch ihr einmal spürt, wie es ist, wenn man Angst haben und sich Sorgen um sein
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