Das Gesicht des Teufels
tropfte aufs Pflaster, und ohne den beiden Frauen noch ein Wort zu gönnen, ging der Mann an ihnen vorbei.
Hanna war blass. «Lass uns weitergehen.»
Ursula zog wieder an. Die Räder knirschten, im gleichen Moment verdunkelten Wolken die Sonne. Ein Gefühl von Verlorenheit überkam sie, das zunahm, als ihr Blick auf einen Krüppel fiel, der angelehnt an eine Hauswand schlief.
Alles ist anders als früher, dachte sie. Auch wenn sie noch einem Hahn hinterherrennen, kann ich ihre Sorgen förmlich durch die Mauern hindurch spüren. Jeden treibt die Angst, dass die Stadt in einem Aufstand explodiert und in einer Feuersbrunst untergeht.
«Hier ist heute ja nicht viel los», bemerkte Ursula.
«Ja.» Hanna zeigte auf ein Haus auf der linken Seite. «Versuchen wir unser Glück. Dort ist Peter Wolffs Schmiede.»
«Dafür ist es aber seltsam still.»
Das Hoftor war geschlossen. Hanna betätigte den Türklopfer, sofort schlug ein Hund an, und wenig später näherten sich auch Schritte.
«Ja? Wer ist da?»
Peter Wolffs Stimme klang mürrisch und misstrauisch.
«Hanna Völz hier. Ich habe gute neue Kohle …»
Ihr Herz klopfte. Das Hoftor wurde entriegelt, aber nur einen Spalt aufgestoßen. Der stämmige Schmied steckte den Kopf heraus und sah sich nach beiden Seiten um.
«Kannst wohl Gedanken lesen? Aber mach schnell.» Peter Wolff nickte Ursula zu und half mit, den Karren in den Hof zu ziehen. Hanna fiel auf, dass er recht fahrig wirkte. Als ob er was Verbotenes täte, dachte sie. Andererseits scheint es, dass wir genau zur richtigen Zeit gekommen sind. «Um es gleich zu sagen: Ihr habt hier nichts und niemanden gesehen, geht das in euren Kopf?»
«Nichts gesehen, nichts gehört, nichts gesagt.»
Ursula schaute Hanna an, beide nickten wissend. Und kaum, dass sie im Hinterhof angekommen waren, an den rechter Hand die Schmiede angeschlossen war, bestätigte sich ihre Ahnung: Peter Wolff schmiedete Waffen. Dutzende scharf glänzender Lanzen und Hellebarden standen in einem kastenförmigen Gestell, doch das war nicht alles: Das Prunkstück der Sammlung war die lange Kanone, die bereits auf einer zweirädrigen Lafette ruhte.
«Ist eine Feldschlange», klärte Peter Wolff sie auf, «verschießt Bleikugeln. Gegossen hab ich sie natürlich nicht. Aber sie wird … ihre Sache schon gut machen.»
«Wie bitte?» Hanna starrte abwechselnd von der Kanone zu den Blankwaffen. Ein Zittern erfasste sie, doch sie versuchte, sich nichts anmerken zu lassen. Ihr Herz schlug schnell, es lief ihr heiß und kalt den Rücken herab.
Alles wird kommen, wie ich es gesehen habe, dachte sie. Und die Zeit ist nah …
«Weißt ja, dass ich nur Grobschmied bin», fuhr Peter Wolff fort. «Mach Hufeisen, Nägel und Feldgeschirr wie Hackenblätter und Pflugscharen.»
Ja, und grauenhafte Mordwerkzeuge, setzte Hanna imStillen nach. Am liebsten wäre sie davongelaufen, hier im Hof fühlte sie sich wie eine Gefangene.
Da ging im hinteren Teil der Schmiede eine niedrige Tür auf. Mehrere Männer bückten sich durch den Sturz, zwei davon waren zu Hannas großer Verblüffung die Leitgeb-Zwillinge. Die anderen kannte sie nicht, einer von ihnen musste seiner Kleidung nach auf jeden Fall von edlem Stand sein. Alle Männer hielten sich im Hintergrund, während Peter Wolff und Ursula begannen, die Kohlestämme abzuladen. Der Schmied arbeitete hastig, Hanna begriff, dass er so schnell wie möglich fertig werden wollte.
«Ich brauche noch ein paar Stämme für den Brauer Goltz», sagte sie schnell, denn Peter Wolff machte Anstalten, alle Kohle abzuladen.
«Auch recht. Macht euch fertig, hier schnell zu verschwinden, klar? Ich hole jetzt das Geld.»
Peter Wolff hastete an den Männern vorbei ins Haus und kam mit einem Geldbeutel zurück. Der Mann, der nach Hannas Eindruck adelig war, hielt ihn zurück und zückte seinen Geldbeutel. Lächelnd trat er auf Hanna zu, wandte sich auch an Ursula.
«Der Peter ist ein wenig ängstlich, was er nicht zu sein bräuchte. Immerhin stehe ich einer der drei Parteien des Rates vor. Vielleicht habt ihr von mir gehört: Ich bin Stephan, Stephan von Menzingen.»
«Natürlich», beeilte sich Hanna zu sagen.
«Gut. Auf Seite der Bauern und Kleinen zu stehen, ist nichts Verwerfliches. Dich umgibt der Ruf, seherische Fähigkeiten zu haben. Steht es denn wirklich so schlimm um ihre Sache?»
Prüfend sah Stephan von Menzingen sie an. Hanna las ehrliche Sorge in seinen Augen. Als ob er es genauso weiß wie ich, dachte
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