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Das Gesicht des Teufels

Das Gesicht des Teufels

Titel: Das Gesicht des Teufels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kay Cordes
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sich an die Eiche und schloss die Augen. Im Windschatten des mächtigen Stammes ließ es sich gerade so aushalten, doch allzu lange würde sie auch hier nicht stehen bleiben können. Denn der Regen wurde kräftiger. Windböen fegten über die Lichtung, ihr wurde immer kälter. Der Winter war zurückgekehrt.
    Ist es nur sein Stolz?, fragte sie sich.
    Hanna hoffte, ihr Herz würde ihr eine Antwort geben. Doch sie fühlte nichts, bis auf den nun schon seit Tagen in ihr nagenden Schmerz.
    Sie zog den Spielzeugritter aus der Schürze und betrachtete ihn. Wie waren Ulrichs Worte, damals, als er sie im Spital besucht hatte? Und solltest du je zweifeln: Denk an ihn. Er ist ich.
    Kniest du wirklich vor mir?, fragte Hanna ihn in Gedanken.
    Sie versuchte sich vorzustellen, wie es sein könnte, käme er jetzt angeritten: die donnernden Hufe, der Mantel mit dem mächtigen Deutschherrenkreuz. Sie beschwor den Schwung, mit dem Ulrich aus dem Sattel stieg, und sah ihn im nächsten Moment in derselben Haltung vor sich knien wie der Spielzeugritter. Sie würde sein Gesichtin ihren Schoß pressen, die Wärme seines Atems genießen und seinen halb erstickten Liebesbeteuerungen lauschen   …
    Und wenn er dann aufsieht und seine Augen mich anflehen, ich würde ihm vergeben.
    Sie hatte ihre Hände gegen ihren Bauch gedrückt, doch es war so kalt, dass sie zu zittern begann. Trotzdem trat sie noch einmal vor das Grab ihres Vaters. Stumm betete sie, riss gedankenverloren ein paar Wildkräuter aus der Erde.
    Plötzlich hörte sie, wie sich ein Reiter näherte. Hannas Herz tat einen Sprung. Fast hätte sie aufgeschrien, doch schon wenig später erkannte sie, dass es nicht Ulrich war.
    Aber wer dann?
    Hanna blieb unter dem Rand der Krone stehen und schaute, wie der Mann Satteltaschen vom Rücken des Pferdes schnallte und in die Hütte stapfte.
    Vor Anspannung und Kälte klapperte Hanna mit den Zähnen. Kurze Zeit später bestieg der fremde Reiter wieder sein Pferd und ritt davon.
    Jetzt hielt es Hanna nicht mehr aus.
    Sie rannte zurück und platzte atemlos in die Hütte: «Wer war das?»
    «Kutscher Frieder aus Detwang. Er hat hartgekochte Eier gebracht, Rosinenkuchen, getrocknete Pflaumen, Dinkel, Zwiebeln, Erbsen, Bauchspeck, zwei Hühner und einen Schlauch Wein.»
    «Frieder? Warum?»
    «Deine künftige Schwiegermutter hat es ihm aufgetragen.»
    «Das ist doch Unsinn!» Hanna zitterte, so sehr kämpfte sie mit sich. Neugierig sahen Magdalena und Ursula sie an. Die Spannung schien mit Händen zu greifen. «Hat erdenn noch irgendetwas gesagt?», platzte sie schließlich heraus.
    «Der Frieder?»
    «Himmelherrgott ja, der Frieder!»
    «Das hat er.»
    «Was denn? Nun redet doch endlich!»
    «Nun, guten Appetit und frohe Ostern, das hat er gesagt.»
    Ursula klang betont beiläufig.
    Hanna ballte die Fäuste. Tränen der Wut schossen ihr aus den Augen. «Dieser Mistkerl!»
    Sie rang nach Luft, glaubte, jeden Moment aus der Haut zu fahren, aber urplötzlich änderte sich ihre Stimmung, ohne dass sie es sich erklären konnte.
    Ein trotziges Lächeln stahl sich auf ihre Lippen. Sie fasste ihr langes blondes Haar, warf es mit Schwung nach hinten und sagte entschlossen: «Und wenn ich auch nur Köhlerin bin: Morgen werd ich ihm sagen, was ich von seinem Zaudern halte.»
    «Ja, genauso machst du das. Und weil du einen Vorwand brauchst, wirst du den edlen Detwanger Seelen erzählen, dass du endlich einmal wieder deine Schwester sehen wolltest.»
    Ursula ächzte und erhob sich schwerfällig. Ihr Blick war bereits glasig, aber die Schritte zum Bierfass waren noch sicher. Sie öffnete den Hahn und ließ den Gerstensaft langsam und aus großer Höhe in einen Becher plätschern. «Wegen der Krone», murmelte sie und reichte Hanna nach einer Weile den Becher. «Siehst du, das gibt schönen Schaum.» Sie zapfte für sich und Magdalena nach, schaute anschließend in die Runde. Die Frauen hoben die Becher, Ursula räusperte sich: «Erstanden ist der heilge Christ, halleluja. Halleluja. Der aller Welt ein Tröster ist. Halleluja. Halleluja.»
    Sie sang unsicher, aber Hanna und Magdalena stimmten sofort mit ein. Hanna spürte, wie mit jeder Strophe ihre Zuversicht zunahm. Schließlich fühlte sie sich ganz von Licht erfüllt und strahlte Magdalena an. Hans Goltz’ Frau lächelte glücklich zurück und wischte sich die Tränen aus den Augen, so bewegt war sie. Und weil es so schön gewesen war, sangen sie das alte Osterlied, nachdem sie ihre Becher leer getrunken

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