Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Gesicht des Teufels

Das Gesicht des Teufels

Titel: Das Gesicht des Teufels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kay Cordes
Vom Netzwerk:
dachte sie. Aber es ist ja noch mehr. Sie starrte in die blaue Flammenzunge, die lauernd das frische Scheit umzüngelte, um es nach einer Weile an der kantigsten Stelle orangegelb anzunagen. Sie hielt Ursula den Becher hin, doch die schenkte statt Wein Wasser nach. «Leider hast du gerade den letzten Schluck bekommen.» Sie schaute Hanna bedeutsam an und fuhr theatralisch fort: «Ja, vorbei, verweht, vergangen ist die Gaumenvöllerei.»
    «Und warum?»
    «Was ist denn das für eine Frage! Weil unser Geld weniger und alles doppelt so teuer geworden ist.» Ursula seufzte verdrossen und ließ sich vor Hanna im Schneidersitz nieder. Sie drückte das Kinn auf die Brust und musterte Hanna eindringlich. Als wolle sie herausfinden, ob ich verrückt geworden bin, dachte Hanna. Aber ein bisschen recht hat sie ja. Ich habe mich in den letzten Wochen um nichts mehr gekümmert und so getan, als gäbe es weder Vergangenheit noch Zukunft. Aber dass das Geld, das Ulrich und seine Mutter mir geschenkt haben, schon alles ausgegeben sein soll, konnte das wirklich sein? «Du traust mir doch, oder?», fuhr Ursula fort.
    «Soll ich etwa nicht?»
    «Doch, schon. Aber ich finde es ja selbst irgendwie seltsam. Unser Wirtschaftsgeld   … nein, es ist ja dein Wirtschaftsgeld   …»
    «Ach komm, hör auf, es war geschenktes Geld. Ab jetzt müssen wir eben wieder selbst für uns sorgen – wie es schon immer war und es sich auch für Köhlerinnen gehört. Und stehen wir nicht gut da? Das Holzkohlelager ist voll. Wir beladen einen Karren und verkaufen. Was bislang mein Vater und Arndt getan haben, können wir auch. Vielleicht sogar besser.»
    «Und an wen verkaufen wir?»
    «Hauptsächlich an Schmieden. Zum Beispiel die in der Neugasse. Aber auch an die Schranne. Feuchtes Korn versuchen sie dort schon mal mit Kohlestaub zu trocknen. Besser, es ist etwas geschwärzt, als dass es fault. Eine gewisse Menge nimmt uns bestimmt auch wieder das Spital ab. Dann die Branntweinbrenner. Die beste Kohle geht natürlich an die Pulvermühle.»
    «Wozu brauchen sie im Spital außer zum Kochen und Heizen Holzkohle?»
    «Zum Beispiel für das Anbraten der Ödeisen, mit denen sie Wunden ausglühen und verschließen. Gemahlen eingenommen dient Holzkohle auch dazu, Durchfälle zu bekämpfen. Aber auch auf nässenden Wunden ist sie gut. Apotheker mischen sie allen möglichen Latwergen bei. Doch das sind insgesamt nur kleine Mengen. Da nehmen die Branntweinbrenner mehr ab. Und das nicht nur, weil sie ihre Maischen erhitzen müssen, sondern auch, um anschließend die Brände zu filtrieren.»
    «Freilich sind wir nicht die Einzigen, die Holzkohle anbieten   …»
    Hanna zuckte mit den Schultern. «Auf den Schmied in der Neugasse können wir zählen. Dann haben wir noch die Brüder Goltz. Sie brauen Bier, brennen aber auch Obst.Da die Magdalena und ich gut miteinander können   … ach, es wird schon alles glattgehen.»
    «Du willst sagen: Mühsam ist unser Tagwerk, und das Woche für Woche?»
    «So ungefähr.»

34
    Früh am nächsten Morgen, es war der Gründonnerstag, machten sie sich an die Arbeit. Als Erstes fettete Hanna Nabe und Welle ihres Handkarrens mit einem Rest Kiefernteer, anschließend hämmerte sie an den rostigen Eisenbereifungen herum, die die beiden Karrenräder umspannten.
    «Ein Wagner würde die Hände über dem Kopf zusammenschlagen, wenn er das sähe. Leider sitzen die Bänder schon lange nicht mehr richtig fest. Bereits Vater hat sie vor jeder Fahrt neu ausgerichtet, damit sie nicht abspringen.»
    «Dann sollten wir nicht zu viel aufpacken, wie?»
    «Brusthoch muss schon sein. Aber dann Augen zu und durch.» Ursula schaute mit sorgenvoller Miene zum Himmel. Das Wetter war nicht unbedingt ein gutes Omen für ihr Vorhaben, denn der Himmel spannte sich trüb und grau übers Land. Zudem war es kalt, und selbst als sie die Kohlestämme aufgeladen und festgezurrt hatten, war ihnen immer noch nicht richtig warm geworden. «Hauptsache, es bleibt trocken.» Hanna warf eine Plane über die Stämme und band sie mit zwei zusätzlichen Seilen fest. «Denn Holzkohle und Wasser passen so wenig zusammen wie   …»
    «Na, wie denn?», warf Ursula belustigt ein.
    «…   vielleicht wie ein Ritter und eine Köhlerin?»
    «Ach, bitte nicht schon wieder.»
    Hanna hob den Kopf und schaute Ursula an, als wolle sie prüfen, ob diese ihr recht gab. Von einem Augenblick auf den anderen fühlte sie sich müde, und ihr Entschluss, Kohle zu verkaufen, geriet ins

Weitere Kostenlose Bücher