Das Gesicht des Teufels
Wanken. Ursula jedoch ließ sich zu keiner weiteren Antwort verleiten. Sie stellte sich vor eine der Zugstangen, holte ein paarmal kräftig Luft und machte dann den ersten Schritt.
Quietschend rollte der Karren an. Wegen seiner hüfthohen breiten Räder ließ er sich zu zweit gut ziehen, aber Ursula musste sich eingestehen, dass es doch anstrengender war, als sie es sich vorgestellt hatte. Erst als sie den Wald hinter sich gelassen hatten und es durch die Wiesen nach Neusitz bergab ging, konnten sie sich etwas erholen. Inzwischen waren auch der Himmel heller und die Luft milder geworden.
Neben dem Brunnen am Kirchplatz machten sie Rast. Der kleine Bauernmarkt, der gewöhnlich an diesem Tag stattfand, bestand nur aus wenigen Ständen. Hanna kaufte Brot und zwei Paar harte Kaminwürste, außer Fleisch und Fisch wurden noch Eier, Kohl und schrumpelige Äpfel angeboten. Natürlich gab es auch ein paar Töpfer- und Wirkwaren, außerdem Modeln. Ein fahrender Beindrechsler hockte missmutig vor seinen Auslagen, sein Wagen und der des Baders waren die einzigen, die auf dem Platz standen.
«Schau nur, Hanna. Ein Bader macht immer Geschäfte.»
«Besser, man braucht ihn nicht.»
«Gerade rasiert er ja nur.»
Sie traten näher, doch schon im nächsten Moment besann Hanna sich anders. Aber es war bereits zu spät, Valentins Vater, der Küster und Wagner Claus Schnitzer,hatte sie schon gehört. Eingeseift schlug er die Augen auf, während der Bader sein Rasiermesser am Streichriemen neu schärfte.
«Wagst dich doch tatsächlich noch hierher, Hanna Völz. Mut hast du. Trotzdem, Gott zum Gruß.»
«Ebenso, Herr Schnitzer. Euch geht es gut, hoffe ich?»
«Nein. Und warum, wirst du dir denken können. Dein verdammter Ritter! Wegen ihm hat sich Valentin den Aufständischen angeschlossen. Aus Kummer. Er will dich vergessen. Du bist schuld, wenn ihn ein Landsknecht in die Erde spießt.»
«Das ist doch nicht wahr! Valentin kann doch nicht so stur sein …»
«Stur? Er will dich, Hanna. Mehr nicht. Ist das so schwer zu verstehen? Warum hast du nicht ja gesagt? Für deinen Ritter hast du dich foltern lassen, aber was hat es dir genutzt? Nichts! Denn würdest du sonst Kohle verkaufen müssen? Du hast dich für ein paar gute Worte und ein Kleid verkauft, Hanna. Wie eine Hure.»
«Das nehmt Ihr zurück!»
«Scher dich! Gar nichts nehme ich zurück!»
Claus Schnitzer schloss die Augen und lehnte sich zurück. Der Bader grinste hämisch und machte sich, ohne auf sie zu achten, wieder ans Rasieren. In Hanna wallte die Wut hoch, doch ihr fiel nichts ein, was sie hätte sagen können. Hilfesuchend schaute sie sich zu Ursula um, die sie am Ärmel fasste und mit sich zog: «Halt jetzt besser die Klappe. Die gucken schon alle.»
Sie spülten sich am Brunnen den Mund und zogen weiter. Hannas Stimmung sank. Claus Schnitzers Worte hatten sie verletzt, aber im Tiefsten ihres Herzens musste sie ihm recht geben. Was hatte ihr die Liebe zu Ulrich eigentlich gebracht?
Ostern wollten wir uns verloben. Verloben!
Hanna kämpfte mit den Tränen. Stur schritt sie voran, schaute weder rechts noch links, hatte keinen Blick für die von den Butterblumen gelb getupften Wiesen und Wegränder. Auch dass die Sonne durchbrach, ließ sie kalt. Mürrisch blickte sie auf, als Ursula ihr eine Hummel präsentierte, die sich auf ihrem Handrücken ausruhte. Ohne etwas zu sagen, senkte sie wieder den Kopf.
Nach einer Weile meinte Ursula ärgerlich: «So einer wie dir, die so guckt, würde ich kein Stück Kohle abkaufen.»
«Warum lässt er mich im Stich?», brauste Hanna auf, als hätte Ursula etwas ganz anderes gesagt. «Verbietet es ihm sein Ritterstolz, mir nachzulaufen? Und das nach allem, was ich für die Edlen von Detwang getan habe.»
«Na schön, aber du bist es schließlich, die davongelaufen ist.»
«Weil es war, als lebte ich in einem Gifthauch, verstehst du das nicht? Die Mauern schwitzten ihn aus, nein, alle, die auf dem Gut leben! Weißt du, das Warten ins Nichts hinein … die Ungewissheit, was da kommen wird, die Aufstände, meine Gesichte. Manchmal glaubte ich, Gift zu schmecken, so schwer lag mir alles auf der Zunge. Und Ulrich? Er tat, als hätten wir beide nichts anderes zu tun, als all das Böse zu vergessen. Und dann stand plötzlich diese grauenhafte Frederike vor mir … frisch, ausgeruht, frech, da konnte ich nicht mehr.»
«Ich will dir mal was sagen, ob es dir nun passt oder nicht. Kannst du dir vorstellen, wie Ulrich
Weitere Kostenlose Bücher