Das Gesicht des Teufels
sich nicht mehr um. Niemand achtete auf sie. Der Brauerknecht hatte sich an einen der Tische gesetzt und trank jetzt ebenfalls Bier.
35
Ob am Karfreitag oder Ostersonntag: Weder Hanna noch Ursula, noch Magdalena zog es in die Kirche. Die Frauen gönnten sich Ruhe und Schlaf, vor allem Magdalena war mit ihrer Kraft völlig am Ende. Erst am spätenSonntagnachmittag hatte sie sich so weit erholt, den beiden von ihrer Ehehölle zu erzählen. Eigentlich gab es nicht viel zu erzählen. Hans Goltz hatte seit dem Tod seiner Schwägerin immer häufiger zugeschlagen, denn er vertrug es von Tag zu Tag weniger, dass sein Bruder Veit ihr schöne Augen machte.
Magdalena wedelte den Rauch fort, der sich in der Hütte in Firsthöhe bauschte und langsam nach unten sank. Sie, Hanna und Ursula saßen um die Herdstelle, jede einen Becher Bier in der Hand. Das Fass stammte aus dem Goltz’schen Braukeller, fasste sechzig Maß und hatte sich gerade so mit dem Karrenwagen ziehen lassen. Es zu organisieren war Ursulas Idee gewesen, denn Hans und Veit Goltz waren am Donnerstag nicht zu Hause gewesen.
«In der Nacht vom Mittwoch auf den Donnerstag war es ganz schlimm», begann Magdalena zu erzählen. «Da hatte Veit beim Würfeln viel gewonnen und kam freudestrahlend zu mir in die Küche. Er umarmte und küsste mich, aber just in dem Augenblick sah’s sein Bruder. He, such dir endlich eine neue Frau, hat er eigentlich noch ganz freundlich gesagt, aber da sprach der Veit aus, was unser Geheimnis ist: dass er und ich schon immer gut miteinander waren. Genauso wie der Hans und die Gretel, die ja jetzt seit zweieinhalb Jahren tot ist, sich gemocht haben. In der Nacht hat der Hans mich dann gehabt, aber weil ich ihm zu wenig bei der Sache war, da wurde sein Zorn immer größer …»
«Das heißt, ihr habt quasi über Kreuz gelebt? Du und der Veit und der Hans mit der Gretel? Eine Schwager-Schwägerinnen-Liebe.» Ursula begann zu husten. In der Hütte sammelte sich der Rauch, denn der Wind drückte in den Abzug. «Warum habt ihr nicht gleich richtig herum geheiratet?», krächzte sie mit tränennassen Augen. Hanna sprang auf und öffnete die Tür. Sie lauschte dem Gesangzweier Drosseln und hörte nur noch mit halbem Ohr zu, was Magdalena erzählte.
«Dass wir unsere Ehen so quer lebten, warum das so war? Ich glaub, weil weder ich noch die Gretel schwanger wurden. Und weil der eine der andern nicht grün war, kamen wir alle in Versuchung. Da haben wir natürlich schnell gemerkt, dass die Männer schuld waren, dass wir nicht schwanger wurden. Und da war’s dann auch alles egal.» Magdalena trank ihren Becher leer und zog ihre Decke enger um den Leib. Sie schauderte, worauf Ursula Hanna zurief, verstunken sei noch niemand, wohl aber verfroren.
«Hanna, der Veit, als er dich an die Tanzlinde vors Rödertor einlud, hat doch gesagt, du seist zu arm für ihn», rief Magdalena. «Aber das war, von seiner Geilheit abgesehen, nicht die Wahrheit. Schon vorher war ich eifersüchtig, dass er dich eingeladen hat. Ich hab ihm eingeredet, eine Köhlerin sei auch untenrum meist staubig. Männer glauben ja all solchen Blödsinn. Seitdem aber glaubte der Veit, er habe nun mehr Rechte, und dem Hans wurd’s eben zu viel.»
«Herr Jesus, danke! Was für ein Glück für mich! Himmel, in welche Verhältnisse wäre ich da geraten. Der Hans wäre mir doch bestimmt auch an die Wäsche gegangen.»
Hanna drehte sich zu Magdalena um. Noch immer stand die Tür offen, in der Zwischenzeit hatte es zu regnen begonnen. Der würzige Duft von nassem Waldboden und feuchtem Stein zog in die Hütte.
«Mach endlich die Tür zu!», rief Ursula zornig.
«Ruhig Blut … und bis gleich.»
Hanna trat ins Freie und schloss die Tür. Ihr war nicht mehr nach Zuhören, und nach Ehegeschichten schon gar nicht. Obwohl der Regen zunahm und der Wind immer schärfer blies, ging sie auf die Lichtung. Den linken Armpresste sie gegen ihren Oberkörper, mit der rechten Hand umklammerte sie den tief in ihrer Schürze vergrabenen Spielzeugritter.
Ostern, dachte sie. Es ist Ostern. Ach, Ulrich!
Sie legte den Kopf in den Nacken und ließ sich die Tränen vom Regen fortwaschen. Hatte Ursula recht? Dass Ulrich unter Schuldgefühlen litt, weil er ihr nicht hatte helfen können? Aber wenn es so war, warum hatte er sie so bereitwillig gehen lassen?
Jetzt sieht es fast schon so aus, als wärst du froh darüber. Ist dir deine Frederike wohl doch nicht so gleichgültig.
Verzweifelt lehnte sie
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