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Das Gesicht des Teufels

Das Gesicht des Teufels

Titel: Das Gesicht des Teufels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kay Cordes
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verfehlten ihre Wirkung nicht. Marie sah in vor Wut und Hass verzerrte Gesichter, hörte Kampf- und Schlachtrufe. Sie selbst hatte vor Empörung rote Flecken am Hals, Lienharts Mund dagegen mahlte vor Wut, als wolle er die Grafen zwischen seinen Zähnen zermalmen. Da aber packteBodenstedt eine der weißen Fahnen mit dem Regenbogen, schwenkte sie hin und her und rief: «Aber wo viele sind, ist Hoffnung, Kraft und Stärke! Unsere Brüder im Geiste haben zurückgeschlagen, und Weinsberg ist jetzt in ihrer Hand. Und das Schönste: Die Weinsberger selbst jubeln darüber und halfen mit, das elende adelige Pack und seine Speichellecker in Ketten zu legen. Aber es kommt noch besser: Der rote Hahn regiert jetzt die Burg Weibertreu! Wo bis gestern der Sitz von Gewalt und Gottlosigkeit war, lodert das reinigende Feuer!»
    Jubel brandete auf, Trommelschlagen erfüllte die Luft. Vor Begeisterung warfen die Menschen ihre Mützen in die Luft, ein paar Reisige feuerten sogar ihre Hakenbüchsen ab. «Aber das ist nicht alles!», schrie Bodenstedt mit heiserer Stimme. «Hört zu, wie der kleine tapfere Jäcklein Rohrbach, der die Haufen vor Weinsberg führte, hört zu, wie er, ein einfacher Wirt, dem Grafen das Todesurteil verkündete! Durch die Spieße hat er den Grafen und seine Mordbuben gejagt, und damit ist das Recht endlich einmal von denen in die Hand genommen worden, die schuften und hungern vom ersten Hahnenschrei an   … von denen, die vom Schoß ihrer Mutter weg geknechtet werden.»
    Marie und Lienhart hüpften begeistert auf den Schultern von Rupert und Jonas, die sich an den Händen fassten und zu tanzen begannen. Ein Mann mit einer Flöte spielte auf, ein wilder Tanz. Er wiegte sich im Takt und lockte einen Fiedler an, der seine Weise aufgriff. Immer mehr Menschen tanzten, der Jubel kannte keine Grenzen. Marie winkte einem Trommler zu, und zu ihrem Entzücken kam sogar noch ein Dudelsackspieler hinzu.
    Die Sonne schien, es war warm. Wieder fielen Schüsse. Da gellte es durch die Reihen: «Die Tauber-Müller kommen. Alle! Sie wollen sich mit uns verbünden!»
     
    Ungefähr zur selben Zeit betrat Ulrich den Detwang’schen Stall. Er fühlte den stieren und zerknirschten Blick Gustavs im Rücken, aber das war jetzt auch nicht mehr zu ändern.
    Warum kann er auch nicht für einen Heller nachdenken, sagte er sich ärgerlich. Wie kann er Marie einfach mit diesem Lienhart ziehen lassen! In diesen Zeiten! Babur hin oder her!
    Wenn ihr was zustößt, wie stehe ich dann vor Hanna da?
    Ulrich fluchte leise vor sich hin, vergewisserte sich seines Rapiers. In der Stadt war der Teufel los, und vor der Stadt sammelten sich Müller und Weinbauern, um mit den Bauern gemeinsame Sache zu machen. Die einen wurden vom Doktor ABC aufgewiegelt, die anderen von Hans, dem blinden Franziskanermönch.
    «Herr, es tut mir leid», flehte Gustav.
    «Jetzt ist es zu spät! Himmel, so dumm wie du ist nicht mal eine tote Gans.»
    Ulrich saß auf und ritt mit finsterer Miene an seinem Diener vorbei. Nach einer Weile packte ihn sein schlechtes Gewissen: Wirst es überleben, Gustav, dachte er. Auch wenn’s falsch war, dich auf deine alten Tage vor Augen und Ohren des Gesindes runterzuputzen.
    Er klopfte Raban, seinem neuen Hengst, den Hals. Sein Brauner war nicht so schön und schnell wie Mahut, dafür aber auch nicht so eigensinnig. Würde er ihn aber jemals so liebgewinnen wie Mahut? Wieder holten ihn die schrecklichen Bilder ein: Wie Paul Ickelsheimer Mahut die Fesseln durchschnitt   … und ihm grinsend das blutige Messer in die Hand drückte. Er hatte es angesetzt und sich abgewendet, den Blick auf den Ohrenbacher Reisigen gerichtet, der ihm die Spitze seiner Lanze in den Rücken gedrückt hatte. Mahut hatte nur leise gewiehert, aber eshatte geklungen, als wollte er ihm sagen: Du hast mich verraten.
    Warum musste er jetzt wieder daran denken?
    Weil ohne dich, du Hasenfuß, alles anders gekommen wäre, gab er sich die Antwort. Dann wäre Hanna jetzt hier, und wir wären längst verlobt. Er trieb Raban an, erreichte den Ausgang des Dorfes in Richtung Rothenburg.
    Plötzlich zögerte er.
    Keine halben Sachen mehr, dachte er, wendete und ritt zurück. Ich muss zuerst mit ihr sprechen   … sofort, und dann suchen wir Marie gemeinsam. Wie schon einmal. Er stieß Raban die Hacken in die Flanken und galoppierte auf den östlichen Heckendurchgang zu. Wenig später hatte er den Wald erreicht. Die Buchen rauschten in zartem Grün, der Weg auf dem feuchten

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