Das Gesicht des Teufels
die Stadt. Hanna sah ihnen mit klopfendem Herzen nach, die verbliebenen Bauern und Winzer schrien ihnen Flüche nach. Hans Schmidt trat an der Seite Arndts und Jobst Gesslers auf sie zu. Sowohl der blinde Mönch als auch der Herren-Müller lächelten.
Jobst Gessler streckte Hanna die Hand hin. «Friede, Hanna. Was war, tut mir leid.»
Zögernd ergriff Hanna seine Hand.
«Was du einem von uns getan hast, das hast du mir getan», ließ sich Hans Schmidt vernehmen.
«Das war nicht recht von euch», flüsterte Hanna.
Sie ließ die Männer stehen und eilte zu Marie, während Ulrich mit versteinertem Gesicht in das Kirchlein des heiligen Jakobus trat. Wie die Rothenburger Hauptkirche unterstand auch sie dem Deutschen Orden, und noch immer wurde sie geschändet.
Ulrich zog sein Rapier. Langsam trat er auf einen jungen Müllersknecht zu, der mit einem gewaltigen Kerzenleuchter abwechselnd auf den Altartisch und das Gestühl einschlug. Er schien besessen und entrückt zugleich und sang mit wimmernder Stimme eine monotone Weise vor sich hin. Dabei blutete er aus der Nase, seine Hände starrten vor Schmutz.
Als er den Kopf hob, lächelte er. Aufjubelnd schleuderte er den Kerzenständer durch das Kirchenschiff, dann rannte er hinaus und rief in einem fort: «Alleine! Alleine! Immer alleine!»
37
Was die Aufständischen der Kobolzeller Kirche angetan hatten, war nicht wiedergutzumachen. Ulrich indes hatte andere Sorgen. Zum einen, weil sich herumsprach, die Köhlerin Völz habe die Plünderung prophezeit, zum anderen, weil Aufreiters Bauernjagd dazu führte, dass die Ratsfraktionen um Stephan von Menzingen und Bürgermeister Kumpf sich zusammentaten und die Macht in Rothenburg übernahmen. Freilich bedeutete dies nicht, dass alle Patrizier ihrer Ämter enthoben wurden. So blieb der dem Patriziat zugehörige Ratsbaumeister weiterhin für die Stadtplanung zuständig, ebenso jenes Ratsmitglied, das die Interessen der Türmer und Wächter vertrat.
Auch Jacob Aufreiter behielt sein Amt des Stadtrichters – zumal er, wie sogar die gegnerischen Fraktionen anerkannten, im letzten Winter in bester Absicht Korn an die Armen hatte verteilen lassen. Dass es möglicherweise verhext worden war, daran trage er keine Schuld. Also sei auch nichts dagegen einzuwenden, dass er die KöhlerinVölz im Auge behalte und notfalls festsetze, falls sie mit ihren Gesichten weiter Angst und Schrecken verbreite.
Es war kein Geringerer als Dr. ABC, der Ulrich diese Entwicklung berichtete. Ulrich traf ihn im Rathaus, nachdem er offiziell Beschwerde und Antrag auf Schadenersatz wegen der Zerstörung der Kobolzeller Kirche eingereicht hatte. Denn so wie die Deutschherren die Geistlichen für die Kirche St. Jakob und die Kobolzeller Kirche stellten, hatte die Stadt die Pflicht, sämtliche kirchlichen Gebäude zu schützen.
Dr. Bodenstedt aus Carlstadt sah dies anders. Er maß Ulrich mit selbstgerechtem Blick aus seinem feisten Gesicht und sagte: «Je eher die Götzenwerke in diesen Brutstätten katholischer Bigotterie zerstört sind, umso besser. Freilich verstehe ich Euch. Aber sagt selbst: Wie käme es wohl bei den Bauern und Häckern an, wenn wir Euch Deutschherren jetzt die Stadtkassen öffneten? Glaubt mir, Ritter, dann wäre St. Jakob bald nur noch ein Trümmerhaufen.»
Er verbeugte sich und machte sich in die Ratsherren-Trinkstube auf. Ulrich sah ihm nach, die Hand am Rapier. Doch dann murmelte er: «Wäre ich Hanna, würde ich dir jetzt prophezeien, dass du dir bald vor Angst in die Hose scheißen wirst, Bruder Neunmalklug.»
Ein Ekelgefühl stieg in ihm hoch. Ich muss fort, dachte er. Wenigstens für ein paar Tage. Und sie kommt mit.
Er schwang sich auf sein Pferd und ritt zurück nach Detwang.
Hanna saß in der Stube, wo sie für Marie Äpfel schälte und ihr einzelne Schnitze in den Mund steckte.
«Bestimmt haben sie sich irgendwo versteckt», hörte Ulrich Hanna beschwichtigend auf Marie einreden. «Du hast gestern Abend gesagt, dass der Jonas einen vernünftigen Eindruck gemacht hat. Auch wenn wir sie nach der Plünderungnicht mehr gesehen haben, bedeutet dies nichts Schlimmes.»
«Das stimmt, Marie.»
Ulrich ging in die Hocke und ließ sich von ihr mit einem Apfelschnitz füttern. «Aber wie auch immer dies für die beiden ausgegangen ist: So etwas machst du nie wieder, versprichst du mir das?»
«Ja.»
«Gut, ich vertraue dir. Weißt du, der Rupert hätte auch böse Gedanken haben können. Stell dir einmal vor,
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