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Das Gesicht des Teufels

Das Gesicht des Teufels

Titel: Das Gesicht des Teufels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kay Cordes
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Frau zuerst. Sie lehnte aus dem obersten Giebelfenster und winkte aufgeregt.
    «Das ist ja eine von uns!», rief Marie. «Schwester Rosalind, unsere Laien-Oberin. Sie ist Hebamme, kennt sich aber auch sonst gut mit Krankheiten aus.»
    Marie winkte zurück, fragte, was denn passiert sei. Die Laien-Oberin aber schüttelte nur den Kopf.
    «Komm, wir schauen nach.»
    Lienhart rannte aufs Haus zu, Marie ihm hinterher. Der Türklopfer krachte, sofort wurde von einer Nachbarin geöffnet. Marie und Lienhart zwängten sich an ihr vorbei und hetzten die Stufen hoch. Eine Männerstimme rief, das dürften sie nicht, doch da waren die Kinder auch schon in der Wohnung. Schwester Rosalind lief ihnen entgegen, um sie aus dem Zimmer zu schieben, aber die Kinder waren schneller, zumal der Hund ihnen vorangestürmt war.Er bellte und winselte abwechselnd, schoss aber schon einen kurzen Augenblick später wieder die Treppe hinab und suchte das Weite.
    Es war ein schrecklicher Anblick: Marie blickte in die gebrochenen Augen einer Frau. Ihr Gesicht war vor Schmerz und Gram erstarrt. Sie hatte die Hände über dem Unterleib gekreuzt, ihr Nachtgewand war bis zu den Oberschenkeln hochgeschoben. Auf dem Kopfkissen lag Erbrochenes, das Bettlaken war schwarz vor Blut. Es war auf dem sauberen Dielenboden zu einer Lache getrocknet. Schwarzgrüne Schmeißfliegen schwirrten gierig um sie herum.
    Marie spürte, wie ihr übel wurde. Sie schlug die Hand vor den Mund, wandte sich ab. Im nächsten Moment packte sie jemand an den Schultern und schob sie und Lienhart schimpfend aus dem Zimmer. Trotzdem hörte sie noch, wie Schwester Rosalind erklärte, die Frau sei schwanger gewesen, mit ziemlicher Sicherheit habe sie ihr Kind mit einem konzentrierten Sud aus Angelikawurzel und Arnika abtreiben wollen.
    «Sie hat sich so darauf gefreut!», rief eine Nachbarin.
    «Ja, sie wollte es trotz ihrer Behinderung haben», bemerkte eine andere. «Obwohl sie nicht verheiratet ist.»
    «Dann ist das jetzt die himmlische Strafe.»
    «Aber Schwester! Wie könnt Ihr so etwas sagen? Sie war doch nur taubstumm.»
    «Eben. Wie soll so eine denn ein Kind großziehen?»
    Die Stimmen der Erwachsenen wurden immer lauter, trotzdem bekam Marie noch mit, dass die tote Frau Josepha hieß und die Schwester von Jacob Aufreiters im Kindbett gestorbener Frau gewesen war. Im nächsten Moment aber standen Lienhart und sie wieder draußen auf der Straße. Von Babur war weit und breit nichts zu sehen.
    «Hast du das Tischchen gesehen?», stieß Marie hervor.«Am Fußende des Bettes? Mit der kleinen Kanne und dem Becher? Bestimmt sind da noch Reste von dem Gift drin. Ob sie es selbst eingenommen hat?»
    «Wie kannst du daran zweifeln?»
    «Weil   … wenn es die Schwägerin vom Aufreiter ist, dann kann ich mir alles Mögliche vorstellen.»
    «Was denn?»
    «Dass er sie gezwungen hat, das Gift zu trinken. Damit sie kein Kind bekommt.»
    «Und warum sollte sie kein Kind bekommen?»
    Marie verdrehte die Augen. «Mensch, Lienhart, weil es dann einen Erben geben würde. Jetzt ist es viel besser für unseren Stadtrichter.»
    «Weil er jetzt alles erbt?»
    «Genau. Erst hat er das Glück, dass irgendwelche Knechte seine Schwiegereltern umbringen, jetzt ist er den Rest der Familie auch noch los.»
    Ein neuer Regenschauer kündigte sich an. Die Kinder rannten los und standen bald vor der Klosterpforte. Marie klopfte ungeduldig, die ersten Tropfen fielen. Ein Bettler humpelte mit aufgehaltener Hand auf sie zu, andere flüchteten in die Hauseingänge oder zwängten sich in den Windschatten der Klostermauer. Doch der Wind peitschte den Regen geradewegs in diese Richtung. Binnen weniger Augenblicke waren Marie und Lienhart nass bis auf die Haut.
    Marie hämmerte mit der Faust gegen die Klosterpforte, doch alles war vergeblich. Erst als der Regen nachließ, wurde sie entriegelt.
    «Wir sind nass bis auf die Haut, Schwester Rose.»
    Aber so vorwurfsvoll Marie auch klang, die Pförtnerin antwortete ungerührt: «Regen bringt Segen.»
    «Dafür darf Lienhart mit herein.»
    «Nur ohne diesen grässlichen Hund.»
    «Gut.» Blitzartig drehte Marie sich noch einmal um und rief: «Babur, auf, geh nach Haus!» Darauf schlug sie hastig die Pforte zu und schob den Riegel vor. «Komm.» Sie zupfte Lienhart am Kittel und rannte mit ihm in die Klosterküche zu Schwester Gisela und Rahel.
    «Aber Babur war doch gar nicht da   …»
    «Sicher. Aber das hat Schwester Rose überhaupt nicht mitbekommen. Jetzt denkt sie,

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