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Das Gesicht des Teufels

Das Gesicht des Teufels

Titel: Das Gesicht des Teufels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kay Cordes
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mich?»
    «Ulrich!»
    «Ich habe alles versucht. Du musst dich noch etwas gedulden. Wir brauchen Entlastungszeugen. Aber mach dir keine Sorgen.»
    «Ulrich, wie lange noch?»
    «Hanna, ich liebe dich!»
    «Und ich dich!»
    Ihre Stimme dröhnte ihr im Kopf, dann brach sie in Tränen aus. Sie warf sich aufs Bett, krümmte sich zu einer Kugel.
    Entlastungszeugen!
    Dieser von Menzingen war nichts als ein hinterhältigerBauernfänger. Wahrscheinlich wusste er längst, wie übel all diese Aufstände enden würden. Und da war es eine gute Absicherung, eine vermeintliche Hexe im Turm zu haben. Denn sollte die alte Ordnung wiederhergestellt werden, würde Aufreiter ihm nicht vorwerfen können, sich in seine Belange eingemischt zu haben.
    Erschöpft schlief Hanna ein.
    Als sie aufwachte, war es bereits dunkel. Alles war still.

46
    Die Eisenmeisterin stellte den geleerten Latrineneimer in die Ecke und begann, die Zelle zu fegen. Schweigend sah Hanna ihr eine Weile zu, dann sagte sie, es sei gut. «Iss mit mir, Beate. Trink ein Glas Wein. Ich bin keine Hexe. Wäre ich wirklich eine, wäre ich auf meinem Besen doch den Bütteln davongeflogen und säße jetzt nicht hier.»
    «Da sei Gott vor.»
    Schnell bekreuzigte sich die Eisenmeisterin. Sie legte den Kopf schief und schaute Hanna mit einer Mischung aus Misstrauen und Angst an. Ulrich nämlich hatte ihr gedroht, sie und ihren Mann von der Hofstatt zu jagen, sollte Hanna sich in irgendeiner Form über schlechte Behandlung beschweren. Schließlich gehörte die Hofstatt dem Deutschen Orden. Wer hier arbeitete, war den Deutschherren zinspflichtig und unterstand deren Gerichtsbarkeit. Weil die Eisenmeisterin aber im Nebenerwerb den städtischen Weibersturm führte, durfte Ulrich ihr hier nichts befehlen. Trotzdem fürchtete Beate Ulrich jetzt kaum weniger als Aufreiter. Immerhin hatte er ihrangedroht, sie an den Pranger zu stellen, sollte er einmal erleben, dass sie, Hanna, nicht angekettet und ihre Zelle unverriegelt sei.
    «Zier dich nicht, Beate. Ruf deine Kinder. Sie sollen sich satt essen. Wenn einer weiß, was Hunger heißt, dann ich.»
    «Gut. Natürlich weiß ich, dass du keine Hexe bist. Das ist Aberglaube. Denn gäbe es welche, dann könnte alles doch nicht so sein, wie es jetzt ist, oder?»
    Wenig später kam sie mit ihrer kleinen Tochter Jenne an der Hand zurück. Zutraulich setzte sie sich auf Hannas Schoß. Jennes Augen wurden groß: So viel leckere Sachen hatte sie noch nie gesehen. Hanna brach einen Butterwecken entzwei, schenkte Milch ein. Es gab alles, was das Herz begehrte: Fruchtmarmelade, Schinken, eingelegtes Gemüse, hartgekochte Eier, Käse, Quark, Schmalzkuchen. Ulrich schickte jeden Morgen eine Detwanger Bäuerin mit einem Korb voller Leckereien in die Hofstatt. Die Eisenmeisterin hatte ihn Hanna zu bringen. Trotz der Düfte, die ihr in die Nase stiegen, hatte Beate bislang nicht ein einziges Mal gewagt, das Tuch zu lupfen.
    Hanna freute sich, dass die Eisenmeisterin und Jenne zulangten. Sie wiegte die Kleine auf dem Schoß, schnupperte an ihrem frischgewaschenen Haar und brachte sie mit sanften Ohrhauchern zum Kichern.
    «Ach, du hast es gut.»
    Hanna lachte lauthals auf: «Ich, die Fußeisen-Hex’ vom Weibersturm? Geh, Beate, das glaubst du doch selbst nicht.»
    Der Wein aber hatte Beates Zunge gelockert. Leidenschaftlich fuhr sie fort: «Was glaubst du, wie oft ich Lust gehabt hab, in der Kirche falsch zu singen oder zu kreischen wie eine am Spieß? Weil alles so ungerecht ist. Die Männer wenigstens dürfen saufen, was aber darf ich?Mich hinlegen und warten, bis er wieder runter ist von mir. Himmel, Hanna, du kommst doch bald hier raus. Aber unsereiner? Weißt du, manchmal bekomme ich eine Angst um mich und die Kleinen   … dann kann ich nur noch weinen. Wenn ich aufwache, ist es jeden Tag gerade so, als wäre ich ein Wurm, den man ins Feuer hält.»
    Hanna schaute sie betroffen an. Noch nie hatte sie so hoffnungslose Worte gehört. Da zupfte Jenne sie am Ohrläppchen: «Die Mama braucht einen besseren Papa. Weißt du, wie sie einen bekommt?»
    «Nein. Aber was machen wir dann mit dem alten?»
    «Den legen wir ins Grab.» Jenne gähnte, kuschelte sich in Hannas Arme. «Ich möchte bei dir einschlafen.»
    «Das darfst du.»
    Dankbar lächelte die Eisenmeisterin sie an. Sie erhob sich, ließ ihren Blick durch die Zelle schweifen. Für einen Moment wirkte sie verträumt, dann umwölkten sich ihre Blicke aber wieder. Ohne noch ein Wort zu sagen,

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