Das Gesicht des Teufels
an unsere Truhen! Unsere Kleider! Unser Tuch, die Stickereien!»
«Nein, das geht jetzt zu weit!»
Mit gezogenem Rapier stürmte Ulrich auf die Männer zu. Erschrocken ließen sie die Truhe fallen und liefen davon, aber schon kamen die nächsten. Ein Pfiff gellte, plötzlich sah sich Ulrich umstellt. Einer der Plünderer schwang einen Knüppel, ein anderer stürmte von hinten mit einer Mistforke heran.
Ulrich konnte gerade noch zur Seite springen. Der Angreifer rannte ins Leere.
«Versuch’s nur, Deutschherr!», brüllte der mit dem Knüppel, eine sehnige Gestalt mit gemeißeltem Gesicht und hassglühenden Augen. «Schlägst du mich tot, bist du der Nächste. Da kannst du Gift drauf nehmen!»
Er schlug sich den Knüppel in die Handfläche. Der mit der Forke stellte sich neben ihn.
Die Lage war gefährlich genug. Ulrich hörte seine Schwester rufen, da spürte er einen Stoß im Kreuz, der ihn einen Schritt vorwärtsstolpern ließ – geradewegs aufdie Forke zu. Er schaffte es gerade noch, sein Rapier auf den Stiel der Forke zu schlagen, sodass eine gewaltige Kerbe zurückblieb. Der Mann sprang zurück und brüllte auf vor Wut. Aus dem Augenwinkel nahm Ulrich einen weiteren Angreifer wahr, fuhr blitzschnell herum, wehrte einen harten Knüppelschlag ab und stieß zu. Der Angreifer schrie auf und wankte zurück.
Gelächter ertönte: «Du Hasenfuß! Das war gekitzelt, mehr nicht!»
Ulrich schaute wieder nach vorn – gerade noch rechtzeitig, um einem weiteren Forkenstoß auszuweichen. Mit zwei gekonnten Paraden hielt er sich den Sehnigen mit dem Knüppel vom Leib. Auch der mit der Forke wich jetzt zurück.
«Ulrich, pass auf!»
Doch Agathes Warnung kam zu spät. Von der Seite rannten zwei Männer herbei, der eine sprang mit gezücktem Messer auf ihn zu, der andere schwang ein Fischernetz, das er in dem Moment losließ, als Ulrich sich duckte, um es zu unterlaufen. Doch da verhedderte sich sein Rapier im Netz, und Ulrich strauchelte. Er hörte noch seine Schwester und Marie aufschreien, dann wurde es dunkel um ihn. Der Sehnige mit dem Knüppel hatte ihn an der Schläfe getroffen.
«Nein! Nicht!»
Marie schrie aus Leibeskräften. Tränen spritzten ihr aus den Augen. Agathe raffte ihr Ordenskleid und stürzte auf die Männer zu. Händeringend warf sie sich vor ihnen auf die Knie: «Bitte, schont ihn. Er wollte uns doch nur beschützen!»
Der Sehnige schaute sie an, dann hielt er den mit der Forke zurück.
«Wir sind keine Mörder. Aber diese Abreibung hat er sich verdient, euer Ritter.» Triumphierend schaute er sichzu den anderen Plünderern um, hob seinen Knüppel. «Dafür gehört uns jetzt alles. Alles!»
Die anderen brachen in Jubel aus und hasteten die Kellertreppe hinab, um an die Vorräte zu gelangen. Ulrich aber lag reglos im Gras. Aus einer Platzwunde über seiner Schläfe sickerte Blut. Agathe riss sich Tunika und Skapulier vom Leib, die Tunika faltete sie zu einem Kissen zusammen, das Skapulier drückte sie auf die immer noch blutende Wunde.
«Wir brauchen Wasser.» Die Nonnen nickten, aber keine rührte sich vom Fleck, sie schienen wie gelähmt. «Wasser!», herrschte Agathe sie ein zweites Mal an, doch Marie war schon zu den Zisternen gelaufen, in denen Regenwasser für den Garten gesammelt wurde. Sie füllte eine Gießkanne, musste die Hälfte aber wieder ausgießen, bevor sie sie ächzend zu Agathe schleppte.
Noch immer war es schwül, doch hatte in der Zwischenzeit Nieselregen eingesetzt. Das Grau des Himmels hatte sich tintenblau verfärbt, feine Tropfen schillerten in Ulrichs und Agathes Haar. Da ging die Tür zur Kirchenkapelle auf. Männer mit Kelchen und Messbüchern stürmten heraus, einer hielt eine vergoldete Monstranz in die Höhe, ein anderer schwenkte zwei große Kerzenhalter aus Messing.
Der Nieselregen wurde von Minute zu Minute kräftiger.
Bald gaben sich die Plünderer nicht mehr nur mit Lebensmitteln zufrieden. Sie hielten sich an Bettzeug, Kissen, Decken, ja sogar Pfannen, Teller, Schüsseln, Zangen, Spießgabeln. Zwei Häckerfrauen schoben eine Schiebkarre mit drei ausgegrabenen Obstbäumchen vor sich her, eine dritte trug Kannen, Spaten und Hacken fort.
Die Nonnen rangen die Hände, während Agathe und Marie Ulrich das Blut abtupften. Er war wieder zu sich gekommen und stöhnte leise, seine Lider flatterten.
«Diebe seid ihr, nichts als gemeine Diebe!», gellte es über den Hof.
Schwester Rahel und Gisela versuchten, einem schwitzenden Glatzkopf ein Messgewand zu
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