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Das Gesicht des Teufels

Das Gesicht des Teufels

Titel: Das Gesicht des Teufels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kay Cordes
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schlurfte sie zur Tür. Bevor sie sie wieder verriegelte, streckte sie noch einmal den Kopf herein.
    «Danke dir. Kannst auf mich zählen. Wen die Jenne mag, der ist lieb.»

47
    Es war der erste schwüle Tag des Jahres. Hanna glaubte fühlen zu können, wie Bernward schwitzte, mehr noch, ihr war, als stünde sie in einer Wolke aus Pferdeschweiß, Stiefelwichse und verbranntem Schießpulver.
    Der Hegemeister stand vor der Zellentür und redete aufgeregt auf sie ein. «Die Haufen haben sich zerstritten.Die einen wollen das Schloss in Würzburg schleifen, die anderen nicht. Ständig wird gekämpft. Weil es aber nicht richtig vorangeht, laufen etliche Mainzer und Odenwälder Bauern zu unseren tauber-fränkischen Haufen über. Sie wollen sich unsere Geschütze und Büchsen einverleiben. Also geht es jetzt gegen Rothenburg. In der Stadt ist der Teufel los, die Stadttore werden geschlossen.»
    «Und was bedeutet das alles für mich?»
    «Dass du dabei nicht verlieren kannst. Ich muss weiter, Hanna. Meine Hegereiter fragen nach Befehlen, sie haben Angst. Ich muss mich um sie kümmern.»
    «Bernward   …»
    «Keine Zeit mehr, Hanna. Es wird alles gut!»
    Sie hörte, wie er die Turmtreppe hinabeilte und sein Pferd rief. Irgendetwas klirrte, dann erschallte ein lautes «Hoh!». Der Hufschlag war bald nicht mehr zu hören, dafür wehte der inbrünstige Gesang der Büßerinnen durch den Mauerspalt.
     
    Bleigrau war der Himmel, als Stunden später ein Strom von Betrunkenen, Siechen, Häckern, Bauern, Knechten, Gesellen und auch Bürgern durch das Klosterviertel wogte. Die schwüle Luft schien alle Geräusche zusammenzukleben, verwob Jubelrufe, Grölen, Klirren, Trommeln, Pfeifen und das Läuten der Glocken zu einem brodelnden Klangteppich. Ab und an brüllte irgendwer das Lied der Aufständischen: Spieß voran, aufs Dach den roten Hahn, nirgendwo aber schlugen Flammen aus den Dächern, und statt nach Rauch roch es nur nach Latrine, verschüttetem Wein und Schweiß.
    Niemand legte in diesen Stunden Feuer – und das war das eigentliche Wunder von Rothenburg in den Zeiten der Bauernaufstände.
    Es bleibt uns erspart, weil sie gar keine Zeit dazu haben,dachte Ulrich. Lieber plündern sie. Jeder will so viel Beute wie möglich machen.
    Hilflos stand er mit gezogenem Rapier im Hof des Dominikanerinnenklosters vor Marie und einem Grüppchen Nonnen, von denen eine seine Schwester war. Ihnen Schutz zu bieten, war das Einzige, was er tun konnte, alles andere war sinnlos. «Es wird bei den Franziskanern nicht anders sein», redete er den Nonnen zu. «Das hat er nun davon, der blinde Hans. Mit seinen Hetzreden hat er die Leute zu Bestien gemacht, jetzt verschlingen sie ihn gleich mit. Seid froh, dass sie nur an ihre Bäuche denken.»
    Er drehte sich um und steckte sein Rapier in die Scheide. Er wusste selbst, wie schwach seine Worte klangen, aber was hätte er sonst sagen sollen? Nur in einem war er sich sicher: Keine dieser armseligen Gestalten würde ihn angreifen, um sich an einer der Nonnen zu vergehen. Die Plünderer hier waren keine Landsknechte.
    Sie haben nur Hunger, dachte er im Stillen. Sie sind von Hunger, Arbeit, Krankheiten und Zinsen niedergedrückt. Sie denken nur an ihren Bauch.
    «Ja, aber was ist mit den Stadtbütteln? Warum kommt keiner? Niemand hilft uns. Diese Schande. Aufhängen muss man sie. Alle! Dieses Gesindel!»
    Agathe konnte es einfach nicht glauben.
    «Auch die Stadtbüttel haben leere Speicher!», antwortete Ulrich ungeduldig. «Manche machen mit den Aufständischen längst gemeinsame Sache.»
    «Und unsere Soldaten?»
    «Himmel, du hast es doch selbst gesehen! Die Stadt wird von den Taubertaler Haufen belagert. Sie wollen stürmen. Wenigstens das aber lassen Menzingen und Kumpf nicht zu. Alle Soldaten sind auf den Mauern, die Geschütze sind bereit.»
    «Und die Ritter?»
    «Agathe! Man hasst uns wie die Pest. Wolfgang, Komtur Christian, Arnulf, Robert – sie alle haben sich in ihren Häusern verbarrikadiert. Ist doch klar, jeder denkt jetzt lieber an sich und seine Familie als an Klöster und Kirchen.»
    Immer neue Plünderer tummelten sich auf dem Klostergelände und verschwanden in den Kellern. Weinfässer wurden in den Garten gerollt, Kornsäcke aufgeschlitzt. Ein Bettler hatte sich mit Kaminwürsten behängt, ein anderer schleppte einen Zuber voller Salzheringe auf der Schulter.
    Da rief Schwester Mathilde, die älteste der Nonnen und dieselbe, die Hanna einst geohrfeigt hatte: «Seht doch, sie gehen

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