Das Gesicht des Teufels
dachte er … sie sind fremd … und sie gehören nicht hierher.
Noch konnte er sich nicht rühren, doch als er Magdalenas Schrei hörte, schreckte er hoch: «Berittene! Söldner … sie wollen uns verbrennen.»
«Nein!» Bernward quälte sich auf die Beine. Arndt und Jobst Gessler kamen gerade zu sich, waren aber schon im nächsten Augenblick aufgestanden. «Ruhig … noch bin ich der Hegemeister.»
Er schob den Riegel zur Seite und trat ins Freie.
In der ersten Sekunde glaubte er, doch noch zu träumen,aber der Geruch von Pferdeschweiß und das Klirren des Zaumzeugs waren zu stark. Alles war wirklich: Die Rothenburger Stadtknechte in ihren Rüstungen, die Fahne, die blinkenden Hellebarden. Vor allem aber die beiden großen Karrenwagen mit den Menschen, denen allesamt die Hände auf den Rücken gebunden waren.
Es waren alles Männer, einer von ihnen musste Valentin Schnitzer sein, der andere der Neusitzer Pfarrer Stöcklein.
Da stutzte Bernward. Es war wie ein Schlag auf den Kopf.
«Hanna!»
«Bernward!»
Ihre Stimme klang hell, weich … schicksalsergeben.
«Lasst sie …» Er wollte auf sie zueilen, doch ein Stadtknecht hielt ihn zurück. Zwei andere waren bereits in der Hütte verschwunden, gleich darauf stießen sie Arndt und Jobst Gessler heraus. «Im Namen des Markgrafen, auf Anordnung des Vogts und des Stadtrichters: Ihr seid verhaftet.»
«Ja, wir! Aber warum sie?», rief Arndt verzweifelt. «Was hat sie denn getan? Sie ist doch selbst eine Gezeichnete! Als ob ihr das nicht wisst! Schaut euch ihre Hände an, wenn ihr es nicht glaubt!»
Niemand antwortete ihm. Die Stadtknechte taten, als hörten sie ihn nicht. Ohne Bernward, Ursula oder Magdalena noch eines Blickes zu würdigen, fesselten sie Arndt und Jobst Gessler die Hände und befahlen ihnen mit einem Wink des Kopfes, auf einen der beiden Karrenwagen zu steigen.
Jetzt sind es zwölf, dachte Bernward, während er und Hanna Blicke tauschten, die für ihn beredter waren als alle Worte. Noch nie war ihm diese Hanna Völz so nah gewesen, noch nie hatte er sich so sehr für sie verantwortlichgefühlt. Schon als er sie und Marie am Kobolzeller Steig vor den Schlägen der Leuzenbronner und Bossendorfer Bauern gerettet hatte, war ihm dies wie seine persönliche Bestimmung erschienen. Später dann hatte es immer wieder Augenblicke gegeben, in denen er hätte schwören können, Hanna bereits seit vielen Jahren zu kennen.
Die laute Stimme des Anführers, der plötzlich den Befehl zum Aufbruch gab, riss ihn aus seinen Gedanken. Die ganze Aktion hatte keine fünfzehn Minuten gedauert. Wie benommen schaute Bernward Hanna nach. Der Anblick tat ihm weh, denn nichts hätte widersprüchlicher sein können: Ein makelloser Himmel wölbte sich über dem Wachsenberg, aus den Hecken erscholl vielstimmiges Vogelgezwitscher, das frische Laub raschelte sanft im Wind, und vom Wald her duftete es nach frischem Gras und sauberem Wasser. Und in all dieser beinah paradiesischen Unberührtheit ruckelte der Karren mit den Gefangenen davon … Hanna hielt ihren Kopf gesenkt.
«Aufreiter wird nicht gewinnen. Das weiß ich.»
Ursulas Stimme. Sie klang fest und bestimmt. Bernward drehte sich zu ihr um und war erstaunt, dass ihr noch immer Tränen übers Gesicht liefen.
Magdalena zog ein Taschentuch aus der Schürze und reichte es ihr. «So viel Platz ist in den Türmen doch gar nicht. Wenn sie die da auch noch alle reinstopfen wollen … Wie soll das gehen?»
«Sei doch still.»
«Nein.» Magdalena riss die Augen auf, als sei sie jetzt diejenige, die von einer Vision heimgesucht werde. «Vier Schwertstreiche, hat sie gesagt, braucht der Scharfrichter für den blinden Mönch. Und das Blut, das bis in die Schmiedgasse hinabrinnt, ist ein Bach … Das hat sie gesagt.»
Magdalena schwieg, ihr Gesicht war weiß vor Grauen.
«Ja, es sind die Scharfrichter, die Platz in den Straftürmen schaffen.» Bernwards dumpfe Stimme wurde von dem Gesang einer Drossel begleitet. Und irgendwo im Gebüsch schlug sogar eine Nachtigall an.
Straßen und Gassen wirkten wie ausgestorben, als die Karrenwagen mit den Festgenommenen durchs Rödertor rollten. Nicht nur auf Hanna wirkte alles seltsam unwirklich: Das Sonnenlicht schien sich an diesem Tag selbst feiern zu wollen, so luftig und hell lag es auf Dächern und Bäumen, Gewerken, Pflaster und Brunnen. Die Stille gehörte den Schwalben und ein paar herumstreunenden Katzen und Ziegen, Hanna aber kam es vor, als
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