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Das Gesicht des Teufels

Das Gesicht des Teufels

Titel: Das Gesicht des Teufels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kay Cordes
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Namen des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes: Geh zugrunde, Teufel!» Er wich bis zur Tür zurück.
    «Seid Ihr deshalb gekommen?»
    «Fiat iustitia et pereat mundus, Hexe Völz. Es soll Gerechtigkeit geschehen, und gehe die Welt darüber zugrunde.Dies ist mein Wahlspruch. Morgen wirst du auf dem Rathaus deinem Anwalt begegnen. Aber auch deinem Ankläger!»
    Aufreiter schlug mit der Faust gegen die Zellentür. Die Eisenmeisterin ließ ihn heraus. Stumm sah sie Hanna an. Wartete.
    Erst als sie ihn davonreiten hörten, griff sie in ihre Schürze und zog ein zusammengefaltetes Blatt Papier hervor. «Das wurde meinem Mann zugesteckt. Aus dem Diebsturm.»
    Eine Botschaft   … mit Kohle geschrieben, dachte Hanna. Das Papier war zerknittert und voller Flecken. Ein Schauder lief ihr über den Rücken, denn die Flecken waren braunrot, einige verschliert.
    Sie hielt das Papier ins spärliche Abendlicht. Die Schrift war ungelenk, die Worte aber deutlich zu lesen: Verzeih mir. Bitte. Valentin.
    Hanna begann zu schluchzen. Blitzartig überfiel sie die Erinnerung an ihre Vision vor der Detwanger Kirche. Sie hörte ihre eigene Stimme   … und konnte nichts dagegen tun, dass sie mit bebenden Lippen flüsterte: Und damit du auf immer an Gott denkst, wird er dich auspeitschen lassen und dir die Finger deiner Rechten nehmen.

61
    Als sie aus dem Weibersturm trat, schien es ihr, als würde sie im hellen Sommerlicht ertrinken. Geblendet riss sie die Arme hoch, während Marie und Ulrich ihren Namen riefen. Doch als sie sich zu ihnen hinwenden wollte, erhielt sie einen Stoß zwischen die Schulterblätter. Sie taumelte vorwärts, fiel, rappelte sich wieder auf.
    Aber kaum, dass ihre Augen sich an das Licht gewöhnt hatten, erhielt sie bereits den nächsten Stoß. «Deine Tage sind gezählt, du Schinder!», hörte sie Ulrich wütend rufen, doch da stolperte sie schon auf die Rampe des Schandkarrens.
    Andere lachten, eine grobe Stimme tönte: «Das gehört dazu, Ritter! Erst recht, wenn sie mit dem Teufel im Bund steht.»
    Himmel, niemand pfeift ihn aus, dachte Hanna entsetzt. Denken etwa auf einmal alle in der Stadt, ich sei eine Hexe?
    Sie spähte durch den vergitterten Ausguck und hoffte, endlich Ulrich und Marie zu entdecken. Aber sie sah nur den Schwanz des eingeschirrten Esels und ein Stück des eisenbereiften Rads. Ein Stadtknecht trat vor, ein zweiter schaute sich um und nickte. Schon knallte die Peitsche, und der Karren ruckte an. Hart stieß sie mit dem Hinterkopf gegen die raue Bretterwand. Lediglich an den Eisenstäben des Ausgucks konnte sie sich für den Rest der Fahrt festhalten.
    Wenigstens wirft niemand Dreck oder Steine. Und die Hauptsache ist, dass Ulrich mir einen guten Anwalt stellt. Sie atmete tief durch, schloss die Augen und sagte mehrmals leise vor sich hin: «Ich werde es durchstehen. Durchstehen.»
    Auf dem Rathausplatz empfing sie der Geruch von feuchtem Stein und Sand. Eimer schepperten, schwallweise klatschte Wasser aufs Pflaster, die Luft war erfüllt von Schleif- und Schabgeräuschen. Hannas Herzschlag beschleunigte sich, gleichzeitig schnürte es ihr den Hals zu. Etliche Rothenburger Bürger hatten Schrubber in der Hand, einige von ihnen knieten. Langsam, aber sorgfältig wurde jeder Stein gescheuert und der Sand in den Ritzen ausgewaschen.
    Sie waschen das Blut ab!
    Bis in die Schmiedgasse ist es hinabgeflossen   … wie ich es gesehen habe. Die Eisenmeisterin hat es mir genau so erzählt. Wie viel Blut ist vergossen worden, und jetzt bleibt doch alles beim Alten. Die Großen essen weißes Brot und trinken Wein, die Kleinen saufen Wasser und beißen hartes Körnerbrot.
    Vier Stadtknechte schirmten sie ab, als sie mit weichen Knien die Stufen zum Rathaus hochschritt. Sie wagte nicht, sich umzuschauen, aber da hörte sie Ulrich rufen: «Ich bin bei dir.»
    Hanna fiel ein Stein vom Herzen. Mit einem Mal fühlte sie sich leicht und fasste neuen Mut. Wie oft hatte sie versucht, sich diesen Tag, diese Stunden vorzustellen. Nie war es ihr gelungen, obwohl Ulrich ihr ein paarmal beschrieben hatte, wie ein solcher Prozess ablaufen würde. Er hatte ihr erklärt, dass Aufreiter sie nicht einfach auf den Scheiterhaufen bringen konnte, sie aber hatte immer ihre Zweifel gehabt. Jetzt aber sah sie, dass Ulrich ihr nichts Falsches erzählt hatte: Erst musste Aufreiter den Prozess gewinnen. Tatsächlich befand nicht er allein über ihr Schicksal.
    Hocherhobenen Hauptes trat sie kurz darauf in den Anhörungsraum.

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