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Das Gesicht des Teufels

Das Gesicht des Teufels

Titel: Das Gesicht des Teufels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kay Cordes
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vorgehaltener Hand reden. Dieser Schuft! Das sagt er einfach so dahin. Damit ich was lerne, stell dir das einmal vor!»
    Mit erstickter Stimme schleuderte sie die Worte hinaus und sank Hanna zu Füßen.
    Aufatmend zog Hanna sie an sich. Selbst sie musste jetzt gegen die Tränen ankämpfen: Es tat so gut, wieder jemanden berühren und umarmen zu können. Tröstend strich sie Beate über Kopf und Rücken, drückte sie behutsam an sich. Auch wenn sie nur Eisenmeisterin ist, sie ist mir gerade der wertvollste Mensch, weil sie es ist, die zu mir gekommen ist. Und dass sie mir erlaubt, sie zu trösten, tut mir einfach gut. Denn sie gibt mir damit das Gefühl zurück, nicht widerwärtig zu sein, wie ich mir allmählich schon eingebildet hatte. Wenn also sie mich nicht für eine Hexe hält, werden auch andere es nicht tun. So wird vielleicht doch noch alles gut.
    Am nächsten Morgen ließ die Eisenmeisterin endlich wieder die kleine Jenne zu Hanna, was diese als ein glückliches Omen auffasste. Es hätte für sie nicht schöner sein können, und so erzählte sie ihr Geschichten aus der Bibel, ließ sie selbstgestellte Rätsel lösen, herzte die Kleine wieder und wieder und versprach ihr, wenn sie das nächste Mal ein Stück Kreide mitbrächte, würde sie mit ihr Buchstaben malen.
    «Das war der schönste Tag, den ich je in diesem vermaledeiten Loch verbringen musste», meinte sie zum Abschied. Dann, als sie wieder allein war, lehnte sie sich an die Wand und schloss die Augen. Sie lauschte auf das Summen zweier Wespen, begann zu dösen – doch plötzlich schreckte sie zusammen: Sie hörte Schritte, ihnen folgte das bekannte Klirren des Schlüsselbundes. Bevor Hannanoch einen klaren Gedanken fassen konnte, schwang die Tür auf, und eine große Gestalt in Schwarz stand im Türrahmen.
    Sie trug eine Kapuze und hielt etwas Großes, Rundes an langen Haarbüscheln in der Faust.
    Hanna schrie entsetzt auf.
    Der Henker präsentierte ihr den Kopf von Paul Ickelsheimer.
    «Ich habe den Befehl des Stadtrichters, dir zu sagen: Er war der Letzte.»
    Der Henker trat vor. Hanna schrie und schrie, sie bettelte um Erbarmen. Doch der Henker rückte ihr mit dem blutigen Kopf in der Faust immer näher. Erst knapp vor ihren Füßen ging er langsam in die Hocke.
    Da endlich wurde es dunkel um sie. Hanna kippte zur Seite. Sie war ohnmächtig geworden.

60
    Nach diesem Erlebnis war alles anders. Hanna verbrachte den nächsten Tag so voller Grauen, dass sie nur an die Wand starrte. Weder die Eisenmeisterin noch Jenne vermochten, ihr wieder ein Lächeln zu entlocken.
    Am Abend holte eine ihr bekannte barsche Stimme sie aus ihrer Erstarrung: Jacob Aufreiter kam die Treppe herauf. «Du kannst dir vielleicht denken, Hanna Völz, dass die Zeitläufte deinem Prozess entgegenstanden. Aber jetzt, da wieder Ordnung herrscht, hast du die längste Zeit gewartet. Ich dachte, es würde dich freuen, dem hässlichen Paul noch einmal zu begegnen   … und zwar auf diese Weise. Hast du das Schandmal auf seiner Stirn gesehen? Nein?»
    Hanna schüttelte den Kopf. «Wie geht es meinem Bruder? Bitte, gebt mir eine Antwort.»
    «Gerne. Er wurde aus dem Diebsturm entlassen.»
    «Gelobt sei Jesus Christus.»
    «Wie kannst du es wagen, den Namen des Herren im Munde zu führen!»
    «Wie ist es möglich, dass eine angebliche Hexe ihn ausspricht, ohne sich vor Schmerzen zu krümmen?»
    Ihre schlagfertige Antwort ließ Aufreiter zurückweichen. Hanna war bereits aufgefallen, wie abgekämpft der Stadtrichter aussah. Sein Bart war mehr weiß als grau, und die tiefliegenden Augen schienen entzündet zu sein. Es zehrt an ihm, dachte sie. Am liebsten würde er mich packen und sofort auf den Scheiterhaufen werfen. So wie er aussieht, ist er krank, und nicht nur am Körper, sondern an der Seele.
    Sie hielt seinem forschenden Blick stand. Plötzlich kam ihr ein Gedanke: Was er wohl sagt, wenn ich ihn auf den Tod seiner Schwägerin anspreche?
    «Habt Ihr Eurer Schwägerin den Sud aus Angelikawurzel und Arnika eingeflößt? Weil sie nicht verheiratet war?» Stumm schlug Aufreiter ihr ins Gesicht. «Nur zu», keuchte Hanna. «Ich kann viel an Schmerzen vertragen   … sehr viel, wie Ihr wisst.» Doch Aufreiter wusste sich zu beherrschen, es blieb bei einem Schlag. Hanna aber spreizte ihre Finger, als wären es Krallen. Plötzlich empfand sie keine Angst mehr vor Aufreiter. Ihr kam es vor, als habe sie auf einmal Macht über ihn.
    Tatsächlich bekreuzigte Aufreiter sich und rief: «Im

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