Das Gesicht des Teufels
Doch der war beinah leer, bis auf einen hakennasigen Mann, dessen Ohren und Haare unter einer eng anliegenden Samtkappe verborgen waren. Mit feinem Lächeln kam er um einen der mit Akten und Schreibzeug beladenen Tische herum, neigte kurz den Kopf und sagte: «Ich bin Euer Anwalt, Hanna Völz. Dr. Martin Gebhardt aus Tübingen, ein Schüler des großen Johannes Reuchlin. Sprecht immer nur dann, wenn Ihr aufgefordert werdet, ja? Kalt Blut und Bedachtsamkeit ist das Beste, verstehen wir uns?»
«Ja, vielen Dank, ich danke Euch.»
Mehr wusste Hanna nicht zu antworten. War für sie wichtig, wessen Schüler dieser Dr. Gebhardt war? Aber da ging schon die Nebentür auf. Nach zwei ihr fremden Männern traten Vogt Heinrich Trüb und Stadtrichter Jacob Aufreiter in den Raum. Geräuschvoll ließen sie sich auf den ledergepolsterten Armlehnstühlen nieder, worauf einer der anderen Männer sofort zu schreiben begann.
Das muss der Gerichtsschreiber sein, dachte sie. Aber wer ist der andere?
Verunsichert suchte sie den Blick ihres Anwalts. Dr. Gebhardt zwinkerte ihr aufmunternd zu, doch als sich der Fremde auf den Stuhl mit der höchsten Lehne setzte, bemerkte sie, wie die Miene ihres Anwalts ernst wurde. Hanna hielt die Luft an, sie spürte, wie sie sich verkrampfte. Was hat das jetzt zu bedeuten? Dann fiel es ihr ein: Natürlich, beruhigte sie sich, Aufreiter kann ja gar nicht auf dem Richterstuhl Platz nehmen. Schließlich ist er derjenige, der mich anklagt.
Sie schloss kurz die Augen und flehte den heiligen Laurentius, den Schutzpatron der Köhler, an, ihr beizustehen. Doch kaum hatte sie die Augen wieder aufgeschlagen, schoss ihr erneut der Schreck in die Glieder, denn Anwalt Dr. Gebhardt machte ein Gesicht, als hätte sie bereits verloren.
Heiliger Laurentius, mach, dass mir der Richter gut ist!
Alle erhoben sich, als dieser aufstand: «Im Namen des Markgrafen: Hanna Völz, Ihr steht unter Verdacht, mit dem Teufel im Bunde zu stehen – darum diese Anhörung. Die Anklage führt hiesiger Stadtrichter Dr. Jacob Aufreiter mit Vogt Heinrich Trüb. Anwalt Dr. Martin Gebhardt hat Eure Verteidigung übernommen. Und damit Ihr wisst, Hanna Völz, wer hier Recht sprechen wird: Ich bin Ritter Hans von Seckendorff.»
Hanna gefror das Blut in den Adern: Hans von Seckendorff war jener Ritter, der den Rothenburgern vor der Hinrichtungswelle die Strafrede gelesen hatte. Sie schwankte, hatte das Gefühl, jeden Moment ins Bodenlose zu fallen. Doch sofort raunzte sie einer der beiden Stadtbüttel an, sich aufrecht zu halten.
Jacob Aufreiter dankte und erhob sich. «Hanna Völz, ich rufe jetzt die Zeugen auf. Als Erstes wird Ritter Ulrich von Detwang sprechen.»
Die Tür ging auf.
«Ulrich!»
Sie stürzte auf ihn zu und warf sich ihm in die Arme. Rüde wurde sie von den Stadtbütteln zurückgerissen.
«Benehmt Euch!», schnarrte der Richter unwirsch. Jacob Aufreiter hingegen bemerkte kalt: «In der Tat, würde eine wahre Verlobte sich wirklich so unsittlich aufführen?»
«Sie ist meine wahre und geliebte Verlobte, Dr. Jacob Aufreiter. Was ich auch gerne vor und für Euch wiederhole, Ritter von Seckendorff.»
Ulrich klang ruhig und zuversichtlich, Hanna hingegen zitterte vor Anspannung. Mit eisernem Griff hielten die Stadtbüttel sie an den Oberarmen, doch Hanna achtete nicht auf die Schmerzen. Wichtig war für sie nur, dass Ulrich sich hier zu ihrer Liebe bekannte.
Jacob Aufreiter griff zu einem Schriftstück. «Ritter Ulrich, ich habe hier die unter Eid aufgenommene Erklärung Frederike von Neustetts, dass Hanna Völz Euch mit teufelsbündnerischen Zauberkräften gebannt hat. Sie hat sich Eure Liebe, die keine ist, weil Ihr nach wie vor unter Bann steht, erschlichen, als Ihr deren kleine Schwester am Wachsenberg vor einer Feuersbrunst gerettet habt. Der Vorwurf ist stichhaltig, weil ihn auch Euer langjähriger Diener Gustav bezeugt.»
Er reichte Ritter von Seckendorff das Schriftstück, das dieser mit kurzem Nicken überflog.
Ulrich bebte vor Zorn. «Es ist die Behauptung einer ehemaligen und jetzt eifersüchtigen Freundin», presste er hervor. «Mehr nicht. Und dass mein Diener gegen mich aussagt, geschieht nur, weil er sich wegen einiger heftiger Rügen an mir rächen will.»
«Jetzt erst? Nach so vielen Dienstjahren? Er sorgt sich um Euch.»
«Ein Hundsfott ist er! Himmel, was sind das alles für verquere Anschuldigungen. Und dann dieser Unsinn, ich sei gebannt!»
«Es gibt Anhaltspunkte, Ritter
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