Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Gesicht des Teufels

Das Gesicht des Teufels

Titel: Das Gesicht des Teufels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kay Cordes
Vom Netzwerk:
Fäuste. Zum Glück hatten sie die Plönlein-Gabelung erreicht, vor der ein Franziskaner-Mönch predigte. Bauern und Weinhäcker hatten sich um ihn geschart, alle hingen sie wie gebannt an seinen Lippen.
    «Oh, der blinde Hans», entfuhr es Jobst Gessler. Er machte sich von ihr los. «Kennst du ihn?»
    «Ja, ich habe von ihm gehört», antwortete Hanna schnell, in der Hoffnung, ein Thema gefunden zu haben, das den Müller von ihr ablenkte. «Er sei, sagt Arndt, derzeit der beliebteste Prediger der Stadt. Er redet gegen den Ablasshandel. Wie dieser Luther, stimmt das?»
    «Auch, auf jeden Fall ist der Hans einer der wenigen Pfaffen, die das Herz auf dem rechten Fleck haben. Komm, hören wir zu.»
    «Sie sagen immer, dass sie Gottes Dienste fördern und darum von ihm als Obrigkeit eingesetzt sind», hörte sie den blinden Hans gegen das Patriziat der Stadt und andere Hochwohlgeborene reden. Blicklos wanderte sein Kopf von rechts nach links und wieder zurück. Die linke Hand hatte er auf seiner Brust, die rechte ruderte suchend durch die Luft, als wolle er erfühlen, wie groß sein Auditorium war. «Und darum fordern sie ständig, wir sollen gehorsam sein, nicht wahr? Aber sind sie wirklich mit unserem Herrn Jesus? Leihen sie ihr Ohr den Armen und Kranken? Sprechen sie Recht und wehren Raub und Mord? Helfen sie Witwen und Waisen? Sorgen sie sich um die rechte Erziehung, um Lesen und Schreiben? Spenden sie, wie jeder rechtschaffene Bauer, den Zehnten von ihren Einkünften? Speisen sie uns davon in Hungersnöten?»
    «Nein, das alles tun sie nicht», gab der blinde Hans nach einer Pause ausdruckslos zur Antwort. Wie ein Verlorenerließ er den Kopf hängen, seine Hände waren nach unten gesunken.
    «Ja, noch nie haben sie das getan», hörte Hanna den Müller knurren. Er nahm Blickkontakt zu einem Jungbauern mit löchrigem Hut und dutzendfach geflickten Hosen auf, der sich klatschend die Faust in die hohle Hand schlug.
    Hanna entging nicht, wie beide sich wissend zunickten, sie hörte, wie andere murmelten, edles Blut und Barmherzigkeit verhalte sich in diesen Tagen wie Jauche zu Wein. Einige stierten den Prediger mit einer Leidenschaft an, dass ihnen die Augen aus den Höhlen traten. Die Spannung schien auf einmal mit Händen greifbar.
    Da riss Hans Schmidt beide Arme in die Höhe, als würde er sich kreuzigen lassen, und schrie: «Nein, das alles tun sie nicht! Ihre Herzen schlagen nicht wie das eines Christenmenschen, sondern wie das eines Schacherers.» Die Ärmel der schäbigen braunen Franziskanerkutte rutschten herunter. Muskulöse sehnige Arme kamen zum Vorschein, wie sie nur ein Mann haben konnte, der einen unbeugsamen Willen hatte. «Sie wollen Zins für Land und Herdstellen, Neubruchgeld für mühsam urbar gemachtes Land, Küchengeld für Eier, Hühner, Käse, Fleisch, Umgeld für Wein, Bier und Salz. Dabei bekommen sie bereits den großen Zehnten auf alles Getreide, den kleinen auf Flachs, Obst, Kraut, Rüben, Linsen, Vieh. Sie bekommen den Wiesenzehnt auf Heu, Zapfgeld für Wein und Bier. Aber das reicht ihnen nicht: Eure Dienste für ihr Herrenland fordern sie, Jagdfronen als Treiber und Träger, Spanndienste, damit sie selbst Fuhrwerke sparen, Scharrwerksdienste für ihre Dämme, Wege, Schlösser, Gärten. Und jetzt wollen sie noch die freien Allmende an sich bringen: Wald, Wiesen, Weiden, Brache, Bäche, Flüsse, Seen.»
    Der blinde Mönch sprach den Bauern aus der Seele, auch Hanna stimmte ihm aus tiefstem Herzen zu. Jetzt war auch sie dem Bann des blinden Franziskaners erlegen und hatte darüber sogar den Müller vergessen. Umso heftiger fuhr sie zusammen, als Jobst Gessler und der Jungbauer plötzlich riefen:
    «Weg mit der Leibeigenschaft!»
    «Freie Jagd und Fischfang!»
    «Freie Beholzung der Allmendwälder!»
    «Und keinen Zehnten mehr für die erzfaulen Deutschen Ritter!»
    Sie reckten die Fäuste und pfiffen. Forken wurden gen Himmel gestoßen, Messer gezogen.
    «Aber nicht alle sind so!»
    Hanna schlug sich die Hand vor den Mund, doch zu spät. Beklommen schaute sie in plötzlich feindselige Gesichter. Jobst Gessler gar spuckte aus. «Kleider aus, Kleider an, Essen, Trinken, Schlafengehn ist die einz’ge Arbeit, die die Deutschherrn dre’hn. Kennst nicht das Lied, Hanna? Dann wird’s Zeit, dass ich es dir lern!»
    Er packte sie am Ellenbogen und schob sie aufs Kobolzeller Tor zu, hinter dem ein abschüssiger Weg ins Taubertal und zur berühmten Doppelbrücke hinabführte. Plötzlich erschallte

Weitere Kostenlose Bücher