Das Gesicht des Teufels
gutes Zeichen ist!»
Er strahlte übers ganze Gesicht und schaute sich beifallheischendzu den Goltz-Brüdern um. Mit seinem weiten weißen Kittel, den weißen Hosen und dem braunen Krempenhut sah er zwar wie ein ganz gewöhnlicher Müller aus, aber nur ein Jobst Gessler konnte es sich leisten, einen dicken geflochtenen Goldring am linken Ringfinger zu tragen.
Wie protzig, dachte Hanna. Auf dem Kittel kein Stäubchen Mehl mehr und die Hände so sauber, als wären sie nicht echt.
Sie würdigte ihn keines weiteren Blicks, sah stattdessen die Brüder Goltz an: «Was wollt ihr? Sagt jetzt nicht, Geld. Und wenn doch: In den letzten Nächten ist in den Trümmern unserer Hütte leider keines gewachsen.»
«Ist sie nicht ein Prachtstück?», platzte Jobst Gessler heraus und zeigte mit beiden Armen auf sie. «So mutig … und wie gut im Reden. Aber vor allem: wie schön!»
«Jobst, was soll das?», entgegnete Hanna mutig. «Wenn mein Bruder Euch versprochen hat, wir würden künftig unter ein und demselben Dach wohnen, hat er Euch belogen. Ohne mir etwas zu sagen, hat er über meinen Kopf entschieden und sich angemaßt, mich zu verschachern wie ein Huhn. Aber dafür hab ich ihm längst den Kopf gewaschen.»
«Langsam, Hanna, langsam», entgegnete Jobst Gessler gönnerhaft. «Versteh doch: Du bist schön, und ich habe Geld. Von mir aus könntest du noch ärmer sein, als du es jetzt bist. Ich würde dich trotzdem nehmen. Also sind wir füreinander geschaffen. Nur, dass du dies noch nicht weißt, du Dummerchen.»
Hanna wurde rot. Auf eine solche Demütigung war sie nicht gefasst. Tränen traten ihr in die Augen. Aber anstatt dass sich einer ihrer erbarmte, rief Veit Goltz enthusiastisch: «Himmel, Hanna, wenn das kein Antrag ist! Jede andere würde jetzt einen Luftsprung machen und dem Jobstum den Hals fallen.» Er klang, als wünsche er sich nichts sehnlicher, als sie endlich unter der Haube zu wissen.
«Ja, eben. Sonst liebäugelst du noch damit, dich irgendwann dem Teufel hinzugeben. Ist es nicht so?», ereiferte sich Hans Goltz. «Du und deine grässlichen Gesichte! Was glaubst du, wer sie dir einflüstert? Das sind die Bewohner der Hölle. Längst schleicht nachts der Teufel um eure Hütte, ich weiß es doch. Einmal hast du nein gesagt … auch das weiß ich. Aber was war die Strafe für deine Standhaftigkeit? Dass der Leibhaftige aus Wut den roten Hahn im Wald freiließ! Und eurem rechtschaffenen Vater hat er gleich noch den Giebel aufs Gesicht gekippt. Dabei wird es aber nicht bleiben. Der Teufel will die Jungfrau Völz wie ein Köter die Wurst. Rette also deine Seele und reich dem Müller die Hand.»
Zustimmendes Raunen machte die Runde, und der Fischer Götz Breitling nickte so nachhaltig, als wäre jede andere Lösung sinnlos. Hanna aber fühlte sich, als würde ihr die Luft abgedrückt. Hans Goltz’ Unterstellung war so böse wie gefährlich. Nicht auszudenken, wenn dies der Rothenburger Obrigkeit zu Ohren käme. Ihre Tage wären gezählt, die Flammen des Scheiterhaufens würden sie verschlingen wie vor Tagen das Feuer den Wald.
«Halt besser deinen Rand, Hans Goltz, und mach meiner Braut keine Angst», rief Jobst Gessler übermütig. «Bist wohl neidisch, wie?» Mit einem Blick hatte er Hannas Notlage erfasst, sah, wie ihr die Angst die Sprache raubte. Und kaum dass Hanna begriff, was für ein Spiel Jobst Gessler sich mit ihr erlaubte, fasste er sie auch schon um die Hüften.
«Nein! Finger weg.»
Doch es klang viel zu kraftlos. Halbherzig boxte sie Jobst Gessler vor die Brust, der sie nur noch fester an sich zog. Aug in Aug standen sie sich gegenüber. Hanna hätteschreien mögen vor Grauen, doch jetzt ging es ihr wie dem Kaninchen und der Schlange: Die Augen weit aufgerissen, war sie unfähig, den Blick von Jobst Gesslers rotem Gesicht abzuwenden. Näher und näher kam es mit seiner knotigen Nase und den Blatternarben. Die kalten hellgrauen Augen sprühten vor Vergnügen, schon konnte sie seinen säuerlichen Atem riechen. Hannas Hals war wie zugeschnürt. Sie hielt die Luft an, machte sich steif – und wartete schicksalsergeben auf das Unvermeidliche.
«Hanna, wovor hast du Angst?»
«Ihr …»
Weiter kam sie nicht, denn Jobst Gessler presste ihr seine Lippen auf den Mund. Sie spürte seine vorschnellende Zunge und konnte nicht verhindern, dass sie die ihre berührte und einmal schlängelnd von ihr kostete. Es war grauenvoll. Pfiffe und Gelächter zerschnitten die Luft. Hanna kam sich vor,
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