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Das Gesicht des Teufels

Das Gesicht des Teufels

Titel: Das Gesicht des Teufels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kay Cordes
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heftiger Hufschlag. Als Hanna sich umdrehte, galoppierten zwei Geharnischte durch die Schmiedgasse auf sie zu.
    «Weg hier, schnell!», rief ein Bauer.
    Auch Hanna und Jobst Gessler nahmen die Beine in die Hand. Aus den Augenwinkeln sah Hanna, wie ein paar Bauern in Richtung Sieberturm flohen, zwei andere verdrückten sich in die Plönlein-Schänke. Nur der blinde Mönch rührte sich nicht von der Stelle. «Im Namen des Rats, geht auseinander!», hörte sie einen der Reiter rufen. Eine Peitsche knallte. Im nächsten Augenblick preschteeiner der Geharnischten an ihnen vorbei und stellte sich ihnen in den Weg: «Ihr da! Ihr gehört doch auch zu denen!»
    «Nein! Wir kommen aus Neusitz. Es ist reiner Zufall!», rief Hanna.
    «Und ich bin der Herren-Müller. Hab ich’s etwa nötig?»
    Der Geharnischte musterte sie streng.
    «Warum seid ihr dann davongerannt wie all dieses Bauern- und Häckerpack?»
    «Weil wir es uns endlich schön machen wollen, versteht Ihr? Darf ich Euch meine Braut vorstellen?»
    Wie viel Pech hab ich denn bloß, dachte Hanna verzweifelt. Wenn ich jetzt leugne, werde ich verdächtigt, mit den immer gewalttätigeren Bauern unter einer Decke zu stecken. Dann heißt es bald: Deswegen hat die Völz im Wald den roten Hahn losgelassen. Sage ich dagegen ja, dann hört dieser Müller aus meinem Mund, was ich mehr fürchte als den Aussatz.
    Zum Glück brauchte sie nicht zu antworten. Der Geharnischte hatte plötzlich alles Interesse an ihnen verloren, weil zwei vornehme Patrizier durch das Tor ritten. Hanna glaubte einen Augenblick lang, von einem der beiden angestarrt zu werden, doch da hatte Jobst Gessler sie schon mit sich gezogen.
    «Das waren der Stadtrichter und der Ratsbaumeister.»
    Hanna wusste nicht, warum, aber plötzlich lief ihr ein kalter Schauer über den Rücken.
     
    Hinter dem Tor erstreckten sich rechts und links des Kobolzeller Steigs die Rebzeilen der Stadt. Tief atmete Hanna die würzige Herbstluft ein und versuchte, sich am in der Sonne leuchtenden Laub der abgeernteten Reben zu erfreuen. Wenige Winzer waren noch mit der Nachlese beschäftigt, andere hackten den Boden. Ein Bussard kreisteüber den Hängen, ein lauer Wind trug den herbwürzigen Geruch von verbranntem Laub heran.
    «Ein gutes Gespann geben wir ab, findest du nicht?»
    Hanna antwortete nicht, hatte aber auch nicht mehr die Kraft, Jobst Gessler abzuschütteln. Was würde passieren, überlegte sie, wenn ich den Müller beim Rat als Anhänger des blinden Mönchs anschwärze? Als einen, der mit den wilden Bauern und Häckern schreit?
    Als habe Jobst Gessler ihre Gedanken gelesen, ließ er von ihr ab. Vielleicht lag es aber doch nur am Weg. Denn er wurde zunehmend steiler und war an vielen Stellen einfach zu schmal, um nebeneinander gehen zu können.
     
    Zur selben Zeit kniete Ulrich von Detwang im schummrigen Chorraum der Detwanger St.-Peter-und-Pauls-Kirche vor dem geschnitzten Heilig-Kreuz-Altar. Stumm hielt er Zwiesprache mit dem Erlöser, in der Hoffnung, Antwort auf seine Fragen zu erhalten. Doch der Gekreuzigte, dessen Leiden der große Tilman Riemenschneider mit unvergleichlicher Kunst dargestellt hatte, schwieg.
    Herr, verschließt du dich meinem Herzen, weil der Ruf deiner Deutschen Ritter so schlecht geworden ist? Ich weiß, Spottverse werden auf uns gesungen, und unsere Tugenden sind hier keinen Heller mehr wert. Komtur Christian verkriecht sich auf seinem Landgut. Allein, dass er noch nicht einmal bestreitet, einer Frau Gewalt angetan zu haben, scheint mir beredt genug. Einst wirst du ihn wegen seines Vergehens fragen   … Ich aber gelobe als dein Ritter, unseren Ordensleitspruch nie zu verraten: Ich will helfen, wehren, heilen. Bitte stehe du mir bei, amen.
    Ulrich bekreuzigte sich seufzend und erhob sich. Seine Blicke schweiften über die Fensterlaibungen, die mit Rankenwerk, Blüten und seltsamen Narrenfiguren ausgemalt waren. Auf einmal hatte er das Schellengeklingel der Narrenkappen,das in den Fastnachtstagen über Rothenburg und seiner Hege lag, im Ohr. Er sah die Harlekine ihre Späße treiben und drohend die Finger heben, wenn ihnen ein Griesgram die Schellen abreißen wollte.
    Schon recht, ihr führt die Sauertöpfischen genauso vor, wie das Schicksal mich vor Tagen gefoppt hat, dachte er. Ihr Narren wühlt in der Vergangenheit, um uns in der Gegenwart zum Lachen zu bringen.
    Doch gilt dies auch für mich?
    Ulrich sah sich wieder vor dem Grab knien, erinnerte sich an seine Vorwürfe den himmlischen

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