Das Gesicht des Teufels
Deutschen Ritter oder Valentin.
Sie lenkte sich ab, indem sie laut nach Babur rief. Das gefiel Marie. Sie formte mit den Händen einen Trichter und stimmte fröhlich mit ein: «Baba-baba-baabur! Wo bist du? Baaaabur!»
Natürlich war von ihm weit und breit nichts zu sehen oder zu hören. Hanna musste sich bald schon die Ohren zuhalten, weil Marie nur noch kreischte. Wenigstens blieb sie fröhlich und rannte immer wieder ein gutes Stück voraus.
Schließlich erreichten sie den Waldrand. Vor ihnen lag Neusitz mit seinen gepflegten Streuobstwiesen. Kein Apfel war mehr an den Bäumen, nicht eine einzige Birne. Einige Stämme waren frisch gekalkt, Mist- und Komposthaufen warteten darauf, locker in die Erde eingearbeitet zu werden. Die Turmuhr schlug gerade zwölf, ein Hahn krähte. Marie zählte die Schläge mit, da hörten sie plötzlich Hundegebell.
«Das ist er! Babur!»
Marie rannte los, auch Hanna war erleichtert. Ist wohl zu den Schnitzers zurück, dachte sie. Vielleicht will er ihnen zubellen, wie wohl er sich ohne Kette fühlt. Hannabeschleunigte ihre Schritte. Die süßlich-sauren Fahnen der die Obstbäume umhüllenden Misthaufen wehten ihr in die Nase. Wenige Schritte weiter roch es nach modrigem Obstlaub. Doch schon im nächsten Moment wäre sie am liebsten umgekehrt. Lag es an Baburs Bellen? Es klang überhaupt nicht mehr fröhlich, sondern für ihre Ohren aufgebracht, geradezu wütend.
Unsinn, murmelte sie leise vor sich hin. Da ist nichts. Zwei Rüden sind aneinandergeraten, das ist alles.
Sie wusste sofort, dass das nicht stimmte. Da war etwas anderes. Für einen Augenblick hatte sie das Gefühl, ihre Ohren würden taub, dennoch hielt das wütende Stimmengewirr in ihrem Inneren an. Gestalten mit Forken und Dreschflegeln blitzten vor ihr auf. Sie hörte hämisches Gelächter und gleichzeitig ein erbärmliches Winseln. Erschrocken blieb sie stehen, ihr Herz hämmerte. Das letzte Bild, das sich in sie einbrannte, war ein Mann zu Pferd. Er strahlte Ruhe und Besonnenheit aus, doch sein Gesicht konnte sie nicht erkennen.
Lieber Herr Jesus, steh mir bei, schrie es in ihr. Keine Gesichte mehr! Bitte nimm diese Last wieder von mir!
Verstört lief sie weiter und stolperte beinahe über ihre eigenen Füße. Erst allmählich schoben Weg und Streuobstwiese sich wieder in ihr Blickfeld. Sie hörte unterdrücktes Knurren und heiseres Hundegebell, bevor sie Marie am Wegrand entdeckte. Diese hielt die Arme um Baburs Hals geschlungen und versuchte, ihn zwischen ihren Beinen festzuklemmen.
«Ihr seid gemein! Lasst ihn in Ruhe!» Hilfesuchend drehte Marie sich zu ihr um. «Hanna, hilf mir doch!»
Erst jetzt nahm Hanna den Trupp Männer wahr, gegen die Babur anbellte. Sie standen auf der anderen Seite des Wegs, zwei hatten ihre Messer gezogen, ein weiterer hielt einen dicken Astprügel in der Hand. Hanna blieb vorSchreck das Herz stehen: Die mit dem Messer waren die Brüder Goltz, der in Weiß und mit dem Ast Jobst Gessler, der klobige Müller der Herrenmühle. Von den anderen Männern erkannte sie noch Götz Breitling von der Fischerzunft. Die übrigen hatte sie noch nicht gesehen.
«Viele Messer sind eines Köters Tod, Kleine», rief Jobst Gessler. «Pass auf!»
«Marie, lauf weg», rief Hanna. «Mach schon, schnell! Los, nach Hause.»
Marie ließ sich dies nicht zweimal sagen. Sie zerrte Baburs Kopf herum und floh mit ihm über die Streuobstwiese in Richtung Waldrand. Hanna fiel ein Stein vom Herzen, weil Babur tat, als wolle er mit Marie spielen. Er sprang um sie herum, überholte sie, rannte vor, dann wieder zurück. Es sah aus, als habe er die Männer mit den Messern völlig vergessen.
Dafür saß nun sie in der Patsche. Suchend schaute Hanna sich um, aber auf den Wiesen war niemand, der ihr hätte beistehen können. Und weglaufen war zwecklos. Männer waren immer schneller.
Muss ich es eben aushalten, dachte sie. Sollen sie mich angiften. Aber ich bleibe hart. Keinen Pfennig rücke ich raus. Wir haben nun mal kein Geld! Sollen sie sich nachher ruhig alle selbst davon überzeugen.
Sie dachte an Arndt, der ihr versprochen hatte, ihre Hütte wäre in einer Woche repariert, und trat entschlossen auf die Männer zu. Dabei presste sie die Lippen so fest zusammen, dass alles Blut aus ihnen wich. Ihr Herz klopfte hart und schnell.
Jobst Gessler warf den Astprügel fort und breitete die Arme aus. «Welch schöne, köstliche Überraschung», rief er leutselig. «Da kommt sie mir sogar entgegen. Wenn das kein
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