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Das Gesicht des Teufels

Das Gesicht des Teufels

Titel: Das Gesicht des Teufels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kay Cordes
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schließlich dort Holzeinschlagsrecht, für das sie an die Stadt bezahlt haben. Und um die Lichtung herum muss es jetzt elend wüst aussehen. Dort die nächsten Jahre leben zu müssen, das ist bitter, sehr bitter.
    Ulrich ritt zügig weiter und schaute in die hohen Kronen der herbstgoldenen Eichen und Buchen. Nach einer Weile traf er auf eine dunkle Laubspur. Wer da wohl gefegt hat?, fragte er sich und lächelte versonnen. Das war bestimmt die Kleine. Sie hat einen Ast hinter sich hergezogen. Das haben Barbara und ich früher auch gerne gemacht. Er zog die Zügel an, damit Mahut langsamer wurde, und suchte in seinen Erinnerungen. Die frische Waldluft vermischte sich jetzt mit dem Gestank kalter klumpiger Asche. Axtschläge waren zu hören, mittendrin fröhliches Hundebellen.
    «Babur! Kommst du zurück», rief eine Kinderstimme.
    Einen Hund haben sie, wunderte sich Ulrich. Er ließ Mahut im Schritt gehen und klopfte ihm beruhigend den Hals. Nur einen Moment später schoss Babur durchs Unterholz und hielt direkt auf sie zu.
    «Baabur!»
    Marie war noch nicht zu sehen, Babur dagegen schoss heran. Er bellte Mahut an, tänzelte herum und warf ab und zu aufjaulend den Kopf in den Nacken. Mit gespitzten Ohren verfolgte Mahut jede Bewegung. Du bist wirklich ein Hasenfuß, Mahut, dachte Ulrich. Hörst du nicht, dass er uns gar nichts will, sondern nur neugierig ist?
    Trotzdem blieb er auf seinem Rappen sitzen, bis Marie Babur zurückrief und ihm befahl, sich hinzusetzen.
    «Er gehorcht ja», sagte Ulrich und stieg vom Pferd.
    «Natürlich, edler Herr. Mir aufs Wort. Denen, die er mag, tut er nichts.»
    «Dann mag er uns also?»
    Marie knickste: «Ihr habt mich doch gerettet, edler Herr. Das spürt er. Warum aber habt Ihr Euch den Bart wegmachen lassen?»
    «Gefalle ich dir etwa nicht mehr?», fragte Ulrich in gespielter Entrüstung.
    «O doch, edler Herr. Ihr seht jetzt aus wie   …» Marie brach ab und schlug sich erschrocken die Hand vor den Mund.
    «Heraus mit der Sprache. Und dass dir nicht mehr einfällt, edler Herr zu sagen. Ich bin Ulrich, Ulrich von Detwang.»
    «Aber wenn Ihr jetzt böse werdet», flüsterte Marie.
    «Bestimmt nicht.» Ulrich genoss dieses Wortscharmützel. Er freute sich über Maries Lebhaftigkeit. Auf den Kopf gefallen ist sie nicht, dachte er. Sie muss Lesen und Schreiben lernen. «Also, Marie, wie sehe ich aus?»
    «Ihr seid glatt wie ein rotbackiger Apfel ohne schrundige Stellen. Und Euer Gesicht ist jetzt so kühn, wie ich mir den Engel vorstelle, der den Drachen tötet.»
    «Komm her, Marie. So etwas Schönes hat noch nie jemand zu mir gesagt, ehrlich.» Gerührt breitete Ulrich die Arme aus. Der Mantel mit dem Deutschordenskreuz lag weit und locker um seine breiten Schultern. Mit großen Augen schaute Marie ihn an und kam langsam näher. Ulrich trat auf sie zu und legte den rechten Arm um sie, sodass sein Mantel Maries Gestalt völlig verbarg. «Marie», hob Ulrich feierlich seine Stimme, «ab jetzt gilt für dich die Mantelkindschaft eines Deutschordensritters. So wie ich ausersehen wurde, dich vor den Flammen zu retten, verspreche ich dir meinen Schutz und werde Sorge tragen, dass du ein würdiges und gottgefälliges Leben führen kannst.»
    «Dann bekomme ich also immer genug zu essen?», fragte Marie schüchtern und schaute zu ihm hoch.
    «Es gehört dazu.»
    «Das muss ich Arndt erzählen.»
    Marie schlüpfte aus der Umarmung und rannte voraus. Babur folgte ihr erst, dann machte er kehrt und rannte zu Ulrich zurück. Aufmerksam schaute er ihn an, belltezweimal und war im nächsten Moment auch verschwunden.
    Er scheint klüger zu sein als mancher Mensch, dachte Ulrich. Hoffentlich ist er immer da, wenn sie ihn braucht.
    Längst verloren geglaubte Gefühle bewegten ihn, während er auf die Köhlerhütte zuging. Wann hatte er das letzte Mal so viel Freude empfunden wie gerade eben mit Marie? Es lag lange zurück. Sehr lange sogar, mindestens acht Jahre. Es wäre nicht die erste Mantelkindschaft, die ich übernehme, erinnerte er sich. Barbara muss damals zehn Jahre gewesen sein, ich sechzehn. Es war in Steinbach. Sie hatte sich auf einen Apfelbaum geflüchtet, weil ihr ein wütender Truthahn auf den Fersen war. Ich hab mein Schwert gezogen   … Am nächsten Abend gab es ein Festessen, aber ich war auch um zwei Ohrfeigen reicher. Ihr aber habe ich, nachdem sie vom Baum wieder heruntergeklettert war, auch meinen Mantel umgelegt. Damals mit dem halben Kreuz, weil ich erst Ritteranwärter

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