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Das Gesicht des Teufels

Das Gesicht des Teufels

Titel: Das Gesicht des Teufels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kay Cordes
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Nicht zuletzt hatte alle ein kalter Winter im Griff. Die Menschen sparten am Holz, erkälteten sich, husteten, schnieften und starben.
    «Caritas! Caritas!», bettelte eine verhärmte Frau vor der Armenklappe. «Bitte noch einen Schlag Suppe. Damit es auch für meine Tochter langt. Sie hat Fieber.»
    «Zusätzliche Stärkung gibt es nur in der Karwoche oder an besonderen Festtagen. Warum bringst du deine Tochter nicht ins Spital?»
    «Da ist alles belegt. Nur wer zahlen kann, bekommt dort jetzt noch ein Bett.»
    Obwohl sie es nicht sollte, füllte Hanna den Napf mit einer zweiten Kelle. Sie stellte ihn in die Drehlade und legte noch ein Stück Brot dazu. Reichte die Suppe eigentlich? Sie schaute in den Kessel, dessen Boden gerade noch bedeckt war. Hanna beugte sich aus dem Fenster und schaute einmal nach rechts und einmal nach links. Auf der Klosterweihgasse war es endlich ruhig, niemand stand mehr nach Essen an.
    Ich sollte mich schämen, dachte sie und schaute der Frau nach, die im Gehen ihre Suppe löffelte. Ich kannmich jeden Tag satt essen und muss nichts weiter tun, außer morgens, mittags und abends Brot und Suppe zu verteilen.
    Sie verriegelte die Drehlade und schloss das Fenster. Den Rest Suppe füllte sie in eine Schüssel, dann legte sie Holz in einer der Herdstellen nach. Heißes Wasser musste immer bereitgehalten werden, denn die Nonnen tranken wegen der Kälte viel Tee. Auch der große Kamin brauchte neues Holz. Er reichte über drei Stockwerke und heizte nicht nur die Küche, sondern auch das darüberliegende Winterrefektorium und das Dormitorium, wo die Nonnen ihre Zellen hatten.
    Hanna fegte Asche zusammen und packte drei Buchenscheite auf die Glut. Sie nahm den Blasebalg vom Haken und entfachte ein neues Feuer. Als die Flammen prasselnd übereinanderschlugen, legte sie noch zwei Scheite nach.
    Ach ja, der Suppenkessel.
    Sie überlegte, ob sie ihn selbst scheuern oder zu den anderen Näpfen und Schüsseln stellen sollte, die die Küchenschwestern Rahel und Gisela abwuschen. Beide waren Laienschwestern und gehörten zur Schar der Helferinnen und Helfer, die den Dominikanerinnen und den hier ebenfalls lebenden Pfründnerinnen und Pfründnern die Alltagsarbeit abnahmen.
    «Gib nur her, deinen Kessel», rief Schwester Rahel, ohne sich umzublicken, weil sie gerade eine Fettpfanne im Spülstein bearbeitete. Sie war klein, dick und geschwind, eine unermüdliche Arbeiterin.
    «Ich will mich nicht drücken   …»
    «Das wissen wir, aber die Priorin mag Frauen mit schönen Händen eben lieber.»
    «Himmel, hör auf, ich bin Köhlerin.»
    «Du warst Köhlerin. Also her damit.»
    Hanna brachte den Kessel, wollte im Gegenzug SchwesterGisela beim Abtrocknen helfen. «Nichts da», tönte Rahel. «Nimm ihr bloß nicht die Arbeit weg. Komm, geh schon. Glaubst du, dein Ritter wartet gern? Er ist auch nur ein Mann.»
    Schwester Gisela lachte schrill auf. Sie war das genaue Gegenbild von Schwester Rahel: groß und langsam und wenn auch nicht gerade faul, doch eher arbeitsschwach. Im Kloster wurden beide hinter vorgehaltener Hand Dick und Dünn genannt, wobei sich niemand vorstellen konnte, wie die agile Schwester Rahel es anstellte, ohne Streit mit Schwester Gisela auszukommen.
    Hanna hatte sich bereits an das Gestichel gewöhnt. Seit knapp drei Wochen lebte sie jetzt im Kloster und half in der Küche aus. Weil sie ein paarmal mit Ulrich im Kräutergarten gewesen war und sie ihm letzte Woche ein Salbeiblatt in den Mund geschoben hatte, stand sie seitdem im Ruf, eine Verführerin zu sein.
    Heute Mittag war er bereits zum dritten Mal in so kurzer Zeit Gast seiner Schwester, der Priorin. Weil dies früher nur äußerst selten vorgekommen war und er die Priorin stets nach dem Essen getroffen hatte, zählte hier jeder eins und eins zusammen.
    «Ach, wo soll ich bei diesem Griesgram-Wetter bloß mit ihm hingehen?», fragte Hanna mit gespielter Sehnsucht und rang die Hände. «Uns wird nichts anderes übrigbleiben, als unser Stelldichein im Winterrefektorium zu begehen. Deswegen habe ich ja eben auch im Kamin Holz nachgelegt. Damit es über uns gewiss warm ist, wenn wir vor den Augen der Priorin Händchen halten.»
    Jetzt lachte Rahel, Gisela hingegen bedachte Hanna mit Blicken, aus denen der blanke Neid auf ihr Äußeres sprach.
    «Gisela, nun schau doch nicht so böse. Es ist doch nur Spaß.» Hanna ging mit ausgestreckten Händen auf Giselazu. Sie wollte sie nicht auch noch gegen sich aufbringen, es gab schon genug

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