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Das Gesicht des Teufels

Das Gesicht des Teufels

Titel: Das Gesicht des Teufels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kay Cordes
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sein.
    Rasch bürstete sie einmal ihr Haar durch, bevor sie es wieder zusammensteckte und unter die Haube schob. Sie schenkte sich ein Glas Wasser mit Minzöl ein, gurgelte und behielt es, bis sie wieder im Hof war, im Mund. Vielleicht ist etwas mit Marie passiert? Seit drei Tagen ist sie jetzt bei Arndt. Vielleicht spricht sie sogar wieder?
    Sie nahm gleich zwei Stufen auf einmal. Dann klopfte sie.
    «Hanna?» Es war die Stimme der Priorin.
    «Ja.»
    «Tritt ein.» Hanna lief geradewegs auf die Priorin zu, knickste und küsste Agathe von Detwangs Ring. UlrichsSchwester war eine voll erblühte Frau mit üppiger Oberweite, die beiden Falten jedoch, die sich halbmondförmig zwischen Nase und Mundwinkel herabzogen, verliehen ihrem Gesicht etwas Strenges. Wie Ulrich saß sie auf einem hochlehnigen Stuhl vor dem Kamin. Habit und Skapulier strahlten in geradezu übernatürlichem Weiß, das den feinen schwarzen Schleier nur umso kostbarer erscheinen ließ. «Ich lass euch allein», fuhr Agathe fort. «Er möchte dir sagen, dass eine Verbindung völlig ausgeschlossen ist.»
    Sie erhob sich und ging zur Tür. Hanna schluckte, ihr Herz hämmerte. Ulrich dagegen hüstelte, dann rief er honigsüß, aber auch spöttisch: «Schwesterlein   …»
    Agathe von Detwang fuhr herum: «Was fällt dir ein! Vor   … ihr!»
    «Ganz recht, vor ihr. Du hast da nämlich gerade etwas gesagt, von dem ich noch gar nichts wusste. Was treibt dich dazu? Ich habe dir gestanden, was ich für Hanna empfinde, dir aber scheint nichts Besseres einzufallen, als sie zu beißen.»
    Hanna nickte, ohne dass sie es wollte. Ulrich aber machte es noch schlimmer, denn er zog sie an sich und küsste sie flüchtig, aber geradewegs auf den Mund.
    «Ulrich, wir sind in einem Kloster», stammelte Hanna bestürzt.
    «Hörst du es, Bruder? Wenigstens sie weiß, was sich gehört. Ich glaube, du bist tatsächlich toll. Hat dich dein Hengst gebissen? Oder ein Hund?» Sie winkte Hanna zu sich heran und musterte sie eindringlich, als wolle sie damit hinter das Geheimnis kommen, warum ihr Bruder sich in sie verliebt hatte. «Liebst du ihn denn auch?», fragte sie unvermittelt, was in Hannas Ohren so mütterlich wie hochnäsig klang.
    «Mit aller Kraft meiner Seele und aus ganzem Herzen.»
    Agathe von Detwang trat zurück, lächelte süßsäuerlich. «Ach, immer die Liebe», seufzte sie. «Alle sind verrückt danach. Sogar ein paar meiner Nonnen. Wenn ihre Günstlinge nicht ihre Familien im Nacken hätten und frei über ihr Leben und Geld entscheiden könnten, Schwester A würde sich genauso entführen lassen wie Schwester Z.   Kürzlich fand ich bei einer Zellenkontrolle doch tatsächlich aneinandergeknotete Bettlaken. Als ich die Schwester zur Rede stellte, brach sie in Tränen aus und gestand mir sogar, Sünde getrieben zu haben.»
    «Und?», fragte Ulrich.
    «Sie ist nicht schwanger, wenn du das meinst. Ich habe ihr verziehen, aber den Mann zur Rede gestellt. Sie wollen heiraten, sogar seine Familie ist einverstanden. Mein Nönnlein wird sich also tatsächlich mit Bettlaken über die Klostermauer abseilen. Und Hanna, du weißt natürlich gar nichts davon, haben wir uns verstanden?»
    «Natürlich, Mutter Oberin.»
    «Endlich erkenne ich meine Schwester wieder!», rief Ulrich sichtlich erleichtert. «Kein Wunder, dass dein Priorat als goldenes gilt und du wiedergewählt werden sollst.»
    «Hör auf damit, Ulrich. Ich fühle mich schon jetzt schuldig, weil die Sitten immer lockerer werden. Aber eins lass dir gesagt sein: Ich billige vielleicht eure Liebe, aber keine Ehe. Das kannst du unserer Familie nicht antun, Ulrich. Du würdest dich und uns immerwährendem Gespött preisgeben und natürlich auch dein Ansehen beim Deutschmeister einbüßen.»
    «Glaubst du, ich weiß das nicht?»
    «Warum versprichst du ihr dann, sie zur Frau zu nehmen?»
    «Weil sie meine Seele hält, Schwesterherz. Ich kann gar nicht mehr anders, als sie zu meiner Frau zu machen.»
    «Himmel, du bist närrisch.»
    «Wie schön. Denk an die Fensterlaibungen in unserer Detwanger Kirche.»
    Agathe von Detwang schüttelte nur den Kopf und verließ ohne ein weiteres Wort den Remter.
     
    Das erste Mal waren sie in diesem Kloster wirklich allein. Ulrich lächelte und seufzte befreit auf, Hanna dagegen hatte einen völlig leeren Kopf. Ulrich räumte das Geschirr vom Tisch und stellte Teekanne und Becher in den Speiseaufzug. Er klopfte gegen das Holz, und nach einer Weile bewegte sich der Kasten langsam

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