Das Gesicht des Teufels
und schubsten sich, alle hatten Angst, nichts mehr abzubekommen.
«Komm da runter», sagte Hanna. «Wie sieht das aus! Als ob du dich lustig machen wolltest.» Gehorsam rutschte Marie aus der Laibung. Unschlüssig stand sie da, schielte auf den Käse. «Nein, Marie!»
«Ich nehm schon nichts. Meine Hände sind leer.»
Sie zeigte sie demonstrativ herum, Rahel bedeutete ihr mit dem Kopf, sie zu waschen. Insgeheim freute sich Hanna über Marie. Sie war fast schon wieder die Alte: wendig und fordernd und mit einer Ausstrahlung, als hecke sie gerade einen Streich aus.
«Es war wohl schön, mal wieder im Wald zu sein?»
«Ja.»
«Marie, du verschweigst mir doch nichts?»
«Hanna, ich hab Babur gehört.»
Marie klang auf einmal völlig verträumt.
«Wo?»
«Am Kobolzeller Steig. Er hat einmal gebellt. Es kam aus den Reben.»
«Ja und?»
«Nichts. Er hat einmal gebellt. Es war Babur. Ganz bestimmt.»
Maries Augen füllten sich mit Tränen.
«Man weint nicht wegen eines Hundes, Marie», sagte Gisela streng.
«Babur ist mehr als ein Hund.»
Marie stampfte mit dem Fuß auf und blitzte Gisela böse an. Doch dann senkte sie den Kopf. Rahel und Hanna warfen sich amüsierte Blicke zu, Gisela kniff den Mund zusammen. Für sie hier im Kloster war es wie immer. In einer Stunde würden sie alle im Konversenrefektorium bei Tisch sitzen und sich nach dem Gebet freuen, nach Herzenslust zulangen zu dürfen. Hanna lief das Wasser im Mund zusammen, wenn sie daran dachte.
Und dann heute Nacht Ulrichs Küssen nachschmecken zu dürfen, dachte sie, kann es überhaupt noch Schöneres geben?
16
Hanna wartete ab, bis Agathe von Detwang und die Konversenoberin ihr Gespräch beendeten. Sie unterhielten sich im Klostergarten, worüber, konnte Hannasich gut denken: Letzte Nacht hatte sich eine Nonne tatsächlich erneut an zusammengeknüpften Bettlaken an der Tauberseite der Klostermauer herabgelassen und war bis jetzt noch immer nicht zurückgekehrt.
«Also, kein Wort zu deinen Leuten», hörte sie Agathe laut sagen, wobei sie kurz in ihre Richtung schaute. «Du weißt von nichts.»
«Wie Ihr befehlt. Es ist so bestimmt das Beste.»
Die Konversenoberin küsste Agathes Siegelring und eilte in den Konversentrakt.
Da fasste Hanna sich ein Herz.
«Mutter Oberin?»
«Du? Hast du uns etwa belauscht?»
«Um Himmels willen, nein. Ihr habt doch gesehen: Ich habe die abgeernteten Feldsalat-Beete geharkt.»
«Natürlich. Also?»
«Es ist so: Sechs Wochen lang gewährt Ihr mir jetzt schon Schutz. Nun, Mutter Oberin, glaube ich, dass die Menschen die Köhlerin mit der angeblichen Seherinnengabe bereits vergessen haben. Da nichts weiter geschehen ist und mich ja eigentlich nur wenige aus der Stadt kennen, fühle ich mich wieder sicher. Hat Ritter Ulrich denn bereits herausgefunden, wer die Heilig-Kreuz-Reliquie beschmiert hat, wenn ich fragen darf?»
«Die meisten sagen, es war ein Jacobspilger. Wahrscheinlich einer von diesen eiferischen Luther-Anhängern. Sie verkleiden sich als Pilger und beschmieren unser Heiligstes. Widerlich. Dann gibt es Gerüchte, Ratsprediger Teuschlin selbst stecke dahinter. Er hasst die Deutschherren …, genau wie dieser unangenehme Dr. ABC. Diesem nun ist alles zuzutrauen.» Wieder musste Hanna eine eingehende Musterung über sich ergehen lassen. Schließlich nickte Agathe von Detwang und schaute an Hanna vorbei in Richtung des Bettelvogtsturms. Dort wohnte derBettelvogt, der dafür sorgen sollte, bis zum Schließen des Stadttores sämtliche Bettler aus der Stadt zu jagen. Nach einer Weile wandte sie sich wieder Hanna zu und fuhr ganz von oben herab fort: «Da du gerade angedeutet hast, wieder allein auf die Straße gehen zu können, kannst du uns auch gleich ganz verlassen, verstehst du?»
«Ja. Das ist … ich verstehe Euch. Danke.»
Agathes Worte waren wie eine Ohrfeige. Hanna war auf diesen Rauswurf nicht vorbereitet, obwohl sie immer gewusst hatte, dass ihre Zeit bei den Dominikanerinnen begrenzt war. Sie knickste und wollte sofort ihr Bündel schnüren, doch Ulrichs Schwester hielt sie zurück. «Warte.» Schon klang sie versöhnlicher. «Du kannst dir bis übermorgen Zeit lassen. Deine Schwester darf natürlich bleiben. Als Ulrichs Mantelkind hat sie hier so etwas wie Narrenfreiheit.»
«Dann weiß er von Eurem Entschluss?»
«Sozusagen. Seit ein paar Tagen.» Hanna schluckte. Ulrich hatte ihr nichts davon erzählt. Wollte er es nicht? Aber es kam noch schlimmer. «Er gibt ein Fest. Du
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