Das Gesicht des Todes: Authentische Mordfälle (German Edition)
Gewissheit. Die Spuren, die auf verschiedenen Flaschen und Gläsern gesichert worden waren, stammten von einem 23-jährigen Mann namens Frank Radke. Und die Prints waren so frisch und an so eindeutigen Stellen gesichert worden, dass man davon ausgehen konnte, dass sie vom Täter stammten.
Radke war Deutscher, womit der hoch eingeschätzte Hinweis meines Informanten, der Mörder könne nur ein Türke oder Araber gewesen sein, wie eine Seifenblase zerplatzte.
Inzwischen war auch der Obduktionsbericht eingetroffen. Klaus Haag starb an inneren Blutungen, die von massiven Gewalteinwirkungen auf seinen Oberkörper und Kopf hervorgerufen worden waren. In seinem Brustkorb waren insgesamt sechs Rippen gebrochen und derart stark abgeknickt, dass sie die Lunge regelrecht aufgespießt hatten. Die Leber hatte einen sieben Zentimeter langen Riss und war ausgeblutet. Ebenso wurde an der Milz eine erhebliche Verletzung festgestellt.
Selbst wenn Leichen gekühlt aufbewahrt werden, unterliegen sie dem Verwesungsprozess, der dann natürlich langsamer vonstattengeht. Hierbei ändert sich unter anderem die Farbe der Haut, insbesondere an den Stellen, die zu Lebzeiten überbeansprucht wurden. So kommt es immer wieder vor, dass nach ein oder zwei Tage an einem Toten plötzlich Würgemale zu sehen sind, die man vorher nicht feststellen konnte.
Bei Klaus Haag gab es von Anfang an ein relativ eindeutiges Verletzungsbild. Der Mann kam durch schwere, stumpfe Gewalteinwirkung zu Tode. Doch schon nach einem Tag traten an der Oberhaut seiner Leiche Spuren hervor, die unmissverständlich darauf hindeuteten, dass der Täter sein Opfer buchstäblich totgetreten hat. Man sah sogar teilweise das Profil der Schuhsohlen auf Haags Rücken.
Nach Ablösen der Kopfschwarte stellte der Obduzent starke Unterblutungen des rechten Oberkopfes fest, woraus zu schließen war, dass Tritte und Schläge auch gegen den Kopf erfolgt sein mussten.
Frank Radke war trotz seiner erst 23 Jahren schon erheblich vorbestraft. Er hatte hauptsächlich Diebstähle, Unterschlagungen und Betrügereien begangen, aber auch zwei gefährliche beziehungsweise schwere Körperverletzungen. Als Stricher war er der Polizei noch nicht bekannt. Jeder in der Moko war sich sicher, dass wir den richtigen Fisch am Haken hatten. Wir mussten ihn nur noch an Land ziehen. Das war Aufgabe unserer Kollegen von der Fahndung. Obwohl Radke keinen festen Wohnsitz und keine Arbeitsstelle hatte, benötigten sie nicht einmal fünf Stunden, bis sie ihn mitten auf einer Straße am Rande der Stadt festnehmen konnten. Der mutmaßliche Mörder, der mit einem gestohlenen Fahrrad unterwegs war, ließ sich widerstandslos festnehmen.
Eine halbe Stunde später saß er uns im Vernehmungszimmer gegenüber. Mir fiel sofort der Verband und die starke Schwellung an seiner rechten Hand auf. Ich sprach ihn jedoch nicht gleich darauf an. Es wäre zu früh gewesen.
Frank Radke war ein kräftiger junger Mann. Etwa 185 Zentimeter groß und 90 Kilogramm schwer, wirkte er jedoch keinesfalls athletisch. Eigenartig waren seine tiefliegenden Augen, deren Blick seine Verschlagenheit verriet.
Er hatte bis zu den Schultern reichende, sehr ungepflegte, strähnige Haare, die schon lange keinen Frisör mehr gesehen hatten. Auch sein übriges Aussehen wirkte sehr ungepflegt. Hinzu kam ein penetranter Körpergeruch, an den ich mich erst einmal gewöhnen musste.
Wie tief muss man als Homosexueller sinken, um sich mit einem Stricher dieser Art einzulassen, dachte ich, bevor ich auch nur ein Wort mit Radke gewechselt hatte. Doch dann ging sofort eine rote Warnlampe bei mir an. Vorsicht!, mahnte meine innere Stimme. Vorurteile können Vernehmungen zum Scheitern bringen. Behandle ihn so, als ob du nichts riechst, als ob du seine schwarzen Fingernägel und das schuppig-rote Ekzem an der rechten Halsseite nicht siehst, und so, als ob kein schwuler Mordverdächtiger, sondern ein ganz normaler Mensch vor dir sitzt, sagte die Stimme.
Es lief das übliche Spiel ab. Radke war bereit, auszusagen, log aber, dass sich die Balken bogen. Doch zwischen den Lügen sagte er auch die Wahrheit. Er erzählte, wie er Klaus Haag im Karlsruher City-Treff kennengelernt hatte und wie es Tage später zu einem erneuten Kontakt kam, in dessen Folge er von Haag in seine Wohnung eingeladen wurde.
Haag sei vorangegangen. Er sollte 20 Minuten später nachkommen. Nur mit einem Bademantel bekleidet, sei er von Haag empfangen worden. Kaum sei er in der Wohnung gewesen,
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