Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Gesicht

Das Gesicht

Titel: Das Gesicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean Koontz
Vom Netzwerk:
Nacht, Patrick.«
    »Gute Nacht, Sir.«

    Der Geistliche legte auf. Er griff nach den gebrannten Pekannüssen in dem Gefäß auf der Anrichte in der Küche des Pfarrhauses, doch seine Hand zitterte so sehr, dass er die Nüsse fallen ließ, bevor sie in seinem Mund landeten. Er bückte sich und hob sie auf.
    Am Küchentisch saß, mit einem großen Wasserglas und einer Flasche Wein, Jonathan Harker, der jetzt fragte: »Wohin wirst du dich wenden, Patrick, wenn du einen Zufluchtsort brauchst?«
    Anstelle einer Antwort sagte Pater Duchaine: »Ich war ihm ungehorsam. Ich habe ihn belogen. Wie ist das möglich?«
    »Vielleicht ist es nicht möglich«, sagte Harker. »Oder zumindest nicht ohne furchtbare Folgen.«
    »Nein. Ich glaube, es könnte vielleicht möglich sein, weil … meine Programmierung gerade umgeschrieben wird.«
    »Ach? Wie kann sie denn umgeschrieben werden, wenn du nicht mehr in einem Tank liegst und auch nicht an einem Datentropf hängst?«
    Pater Duchaine richtete den Blick zur Decke. Zum Himmel.
    »Das kann nicht dein Ernst sein«, sagte Harker und trank einen großen Schluck Messwein.
    »Der Glaube kann einen Menschen verwandeln«, sagte Pater Duchaine.
    »Erstens einmal bist du kein Mensch. Du hast nichts Menschliches an dir. Ein echter Geistlicher würde dich als eine wandelnde Gotteslästerung beschimpfen.«
    Das entsprach der Wahrheit. Auf diesen Vorwurf hatte Pater Duchaine keine Antwort parat.
    »Außerdem«, fuhr Harker fort, »besitzt du in Wirklichkeit gar keinen Glauben.«
    »In der letzten Zeit frage ich mich, ob das … stimmt.«
    »Ich bin ein Mörder«, rief ihm Harker ins Gedächtnis zurück. »Ich habe zwei von ihnen und einen von uns getötet.
Würde Gott es auch nur eine Spur mehr zu schätzen wissen als Victor, dass du mir Zuflucht bietest?«
    Harker hatte einen wesentlichen Bestandteil von Pater Duchaines moralischem Dilemma in Worte gefasst. Dazu konnte er nichts sagen. Anstelle einer Antwort aß er noch mehr Pekannüsse mit Zuckerkruste.

79
    Hinter dem Kleiderschrank in seinem Schlafzimmer hatte Harker ein Loch in die Wand gebrochen. Er hatte die Träger und Balken neu zusammengesetzt, um den Zugang zu dem Raum dahinter zu erleichtern.
    Als er Carson, Michael und Frye durch die Öffnung vorausging, sagte der junge Mann von der Spurensicherung: »Dieses Gebäude hatte früher einmal Geschäfte im Erdgeschoss und in den drei oberen Etagen Büros, und darüber war ein Dachboden als Lagerraum für sämtliche Mieter.«
    Auf der anderen Seite der Wand führten quietschende, abgenutzte Holzstufen nach oben.
    Während er sie die Treppe hinaufführte, sagte der Mann: »Als die Büros in Wohnungen umgewandelt wurden, ist der Dachboden zugemauert worden. Irgendwie hat Harker herausgefunden, dass es diesen Dachboden gibt, und ihn in den Raum verwandelt, in dem er nach Lust und Laune spinnen darf.«
    In dem Dachgeschoss hingen zwei nackte Glühbirnen an Kabeln vom Dachfirst und tauchten den Raum in ihr staubiges gelbes Licht.
    Drei große graue Nachtfalter schwirrten unter den Glühbirnen und um sie herum. Die Schatten, die sie auf den
lackierten Boden, die lackierten Wände und die Decke mit dem freiliegenden Gebälk warfen, wurden größer, schrumpften und dehnten sich dann wieder aus.
    Ein Stuhl und ein Klapptisch, der als Schreibtisch diente, waren die einzigen Möbelstücke. Auf dem Tisch lagen Bücherstapel, und auf dem Boden stapelten sich weitere Bücher.
    Ein riesiger selbst gebastelter Leuchtkasten nahm zwei Drittel der Nordwand ein und strahlte Dutzende von Röntgenaufnahmen von hinten an: diverse grinsende Schädel, die aus verschiedenen Blickwinkeln aufgenommen worden waren, Brustkästen, Becken, Wirbelsäulen, Gliedmaßen …
    Während er einen Blick auf diese makabre Galerie warf, sagte Michael: »Ich dachte, wenn man durch die Rückwand eines Kleiderschranks klettert, gelangt man in das verzauberte Land Narnia. Das muss wohl die falsche Abzweigung gewesen sein.«
    In der nordwestlichen Ecke stand ein dreiteiliger Ankleidespiegel mit einem vergoldeten Rahmen. Auf dem Fußboden vor dem Spiegel lag eine weiße Badematte.
    Carson lief an dem Spiegel vorüber, trat dabei auf die flüchtigen Schatten der Nachtfalter und diente als Projektionsfläche für ihren Flug, während sie den Raum durchquerte und auf andere Bilder zuging, von denen die Südwand von einer Ecke zur anderen und von der Decke bis zum Fußboden eingenommen wurde.
    Harker hatte eine Collage aus religiösen Motiven

Weitere Kostenlose Bücher