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Das Gesicht

Das Gesicht

Titel: Das Gesicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean Koontz
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von Kopf bis Fuß, sprach aber weiterhin mit Michael. »Und wer ist die da?«
    »Wir spielen jedes Jahr einmal ›Nimm dein Schwesterchen auf Streife mit‹. Sind Sie hier der Obermacker?«
    »›Obermacker‹ kommt mir nicht vor wie ein Wort, das zu irgendwem oder irgendwas in diesem Dreckloch passt. Ich bin hier gewissermaßen der Hansdampf in allen Gassen. Sie sind hier, weil Sie sich in Bobby Allwines Wohnung umsehen wollen?«
    »Neuigkeiten sprechen sich doch immer schnell herum.«
    Hansdampf legte seinen Schraubenzieher hin, zog sich auf die Füße und sagte: »Gute Neuigkeiten schon. Folgen Sie mir.«
    Das Treppenhaus war schmal und finster, feucht und übelriechend.
    Der Alte roch auch nicht gerade besonders gut, und als sie ihm in den zweiten Stock folgten, sagte Michael: »Ich werde mich nie mehr über meine Wohnung beklagen.«
    Vor der Tür zu 2D sagte Hansdampf, während er aus seiner Tasche einen Nachschlüssel hervorkramte: »In den Nachrichten hab‘ ich gehört, sie hätten ihm die Leber rausgeschnitten. «
    »Es war das Herz«, sagte Carson.
    »Das ist ja noch besser.«
    »Sie mochten Bobby Allwine wohl nicht besonders?«
    Er schloss die Tür auf und sagte: »Ich kannte ihn kaum. Aber das hebt den Preis der Wohnung um fünfzig Mäuse an.« Er sah die Ungläubigkeit in ihren Gesichtern und beteuerte: »Es gibt Leute, die dafür noch was drauflegen.«

    »Wer?«, fragte Michael. »Die Addams Family?«
    »Leute, denen es gefällt, wenn eine Wohnung Geschichte hat.«
    Carson drängte sich durch die Wohnungstür vor, und als der alte Mann ihr folgen wollte, schob Michael ihn zur Seite und sagte: »Wir geben Ihnen Bescheid, wenn wir hier fertig sind.«
    Die Jalousien waren runtergezogen. Für einen strahlend hellen Nachmittag war es ungewöhnlich dunkel im Zimmer.
    Carson fand den Schalter für die Deckenlampe und sagte: »Michael, sieh dir das an.«
    Im Wohnzimmer waren die Decke und die Wände schwarz gestrichen. Der Holzfußboden, die Bodenleisten, der Türrahmen und der Fensterrahmen und die Tür selbst waren ebenfalls schwarz gestrichen. Die Jalousien waren schwarz.
    Das einzige Möbelstück war ein schwarzer Vinylsessel, der mitten im Zimmer stand.
    Nachdem er die Wohnungstür hinter sich geschlossen hatte, sagte Michael: »Hast du mal eben die Design-Notrufnummer? «
    Die Fenster waren geschlossen. Keine Klimaanlage. Die schwüle, drückende Hitze, die Schwärze und ein betörend vertrauter süßlicher Geruch verwirrten Carson.
    »Was ist das für ein Geruch?«, fragte sie.
    »Lakritz.«
    Es war tatsächlich Lakritz, aufdringlich süß und durchdringend. Obwohl der Geruch ihr eigentlich angenehm sein sollte, wurde Carson fast übel davon.
    Der schwarze Fußboden wies einen schimmernden Glanz auf, vollkommen frei von Staub und Flusen. Sie strich mit einer Hand über eine Fensterbank und über einen Türrahmen und fand nicht den geringsten Schmutz.
    Wie schon in der Bücherei in Gegenwart von Allwines Leiche befiel Carson Furcht, eine schleichende Besorgnis, die
an ihrer Wirbelsäule hinaufkroch und ihr einen kalten Kuss auf den Nacken presste.
    In der peinlich sauberen Küche zögerte Michael, ehe er die schwarze Tür des Kühlschranks öffnete. »Da rechnet man doch glatt mit abgeschnittenen Köpfen zwischen den Gläsern mit Gewürzgurken und Mayonnaise und einem Herzen in einem Frischhaltebeutel.«
    Selbst das Innere des Kühlschranks war mit schwarzer Sprühfarbe behandelt worden, aber er enthielt keine Köpfe. Nur einen Sandkuchen und einen Liter Milch.
    Die meisten Küchenschränke waren ebenso leer. In einer Schublade lagen drei Löffel, zwei Gabeln, zwei Messer.
    Seiner Personalakte hatten sie entnommen, dass Allwine zwei Jahre lang hier gelebt hatte. Eine Inventarliste seiner Besitztümer würde den Eindruck vermitteln, er sei darauf eingestellt gewesen, von einem Moment auf den anderen aufzubrechen und mit leichtem Gepäck zu reisen.
    Der dritte Raum war das Schlafzimmer. Die Decke, die Wände und der Fußboden waren schwarz. Sogar das Bett und die Bettwäsche: schwarz. Ein schwarzer Nachttisch, eine schwarze Lampe und ein schwarzes Radio mit einer schimmernden grünen Zeitanzeige.
    »Was soll das alles?«, fragte sich Carson.
    »Vielleicht ist er Teufelsanbeter? Oder nichts weiter als ein Heavy-Metal-Fan, der es auf die Spitze treibt.«
    »Keine Musikanlage. Kein Fernseher.«
    Michael fand die Quelle, die den Lakritzgeruch verströmte. Auf dem ungepolsterten Fenstersitz stand ein Tablett

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