Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Gesicht

Das Gesicht

Titel: Das Gesicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean Koontz
Vom Netzwerk:
in die Blutspritzer, damit das CSI-Team die unmittelbare Umgebung der Leiche unbeschadet vorfand.
    Während sie sich stumm ein Bild von dem Tatort machte und versuchte, sich darauf einzustellen und ihre Vorgehensweise zu planen, sagte Harker hinter ihr: »Es sieht ganz danach aus, als hätte er das Brustbein so säuberlich wie ein Chirurg gebrochen. Er ist absolut professionell an die
Sache herangegangen. Der Kerl führt sein Werkzeug mit sich.«
    Michael stellte sich neben Carson und meinte: »Wenigstens können wir Selbstmord ausschließen.«
    »Es sieht fast so aus«, murmelte Carson nachdenklich.
    Michael sagte: »Lass uns die Grundlagen unserer Beziehung nicht vergessen. Wenn hier einer Witze reißt, dann bin ich das.«
    »Es hat ein Kampf stattgefunden«, sagte Harker. »Die Bücher sind aus den Regalen gerissen worden.«
    Etwa zwanzig Bücher lagen neben dem Toten auf dem Fußboden verstreut. Keines war aufgeschlagen. Einige lagen in Zweier- oder Dreierstapeln da.
    »Zu ordentlich«, sagte sie. »Es sieht eher so aus, als hätte jemand darin gelesen und sie dann zur Seite gelegt.«
    »Vielleicht hat Dr. Jekyll auf dem Fußboden gesessen und gerade seinen eigenen Wahnsinn erforscht«, mutmaßte Michael, »als der Nachtwächter ihn entdeckt hat.«
    »Sieh dir an, wo das Blut ist«, sagte Carson. »Nur direkt um die Leiche herum. Kaum Spritzer auf den Büchern. Keine Anzeichen eines Kampfes.«
    »Kein Kampf?«, fragte Harker spöttisch. »Erzählen Sie das mal dem Kerl, der kein Herz mehr hat.«
    »Seine Pistole steckt noch im Halfter«, sagte Carson. »Er hat sie nicht mal gezogen und erst recht keinen Schuss abgegeben. «
    »Chloroform von hinten«, schlug Michael vor.
    Carson ging nicht gleich darauf ein. Im Lauf der Nacht war der Wahnsinn in die Bibliothek eingedrungen, mit einer Tasche voller chirurgischer Instrumente ausgerüstet. Sie konnte die leisen Sohlen des Wahnsinns hören, seinen langsamen, leisen Atem.
    Der Gestank nach dem Blut des Opfers sandte einen prickelnden Schauer der Furcht durch Carsons Blut. Etwas an
dieser Szene, etwas, was sie nicht genauer bestimmen konnte, war außerordentlich und beispiellos, in ihrer Erfahrung noch nie zuvor da gewesen und so unnatürlich, dass es schon beinah übernatürlich war. Es sprach in erster Linie ihre Gefühle an und nicht ihren Verstand; es bestürmte sie, es wahrzunehmen, es zu erkennen.
    Neben ihr flüsterte Michael: »Da naht er mal wieder, der altbekannte Hexenhokuspokus.«
    Ihr Mund wurde trocken vor Furcht, und ihre Hände fühlten sich plötzlich eiskalt an. Furcht war ihr nicht fremd. Sie konnte sich fürchten und gleichzeitig professionell bleiben, wachsam und reaktionsschnell. Manchmal schärfte die Furcht ihre Sinne sogar und ließ sie noch klarer denken.
    »Es sieht eher so aus«, sagte sie schließlich, »als hätte sich das Opfer einfach hingelegt und seelenruhig darauf gewartet, dass es abgeschlachtet wird. Sieh dir nur sein Gesicht an.«
    Die Augen waren offen, die Gesichtszüge entspannt, nicht etwa von Grauen oder Schmerz verzerrt.
    »Chloroform«, schlug Michael noch einmal vor.
    Carson schüttelte den Kopf. »Er war wach. Sieh dir die Augen an. Die Mundhaltung. Er ist nicht bewusstlos gestorben. Sieh dir die Hände an.«
    Die linke Hand des Sicherheitsbeamten lag offen neben ihm, die Handfläche nach oben, die Finger gespreizt. Diese Haltung ließ Betäubungsmittel vor dem Mord vermuten.
    Die rechte Hand dagegen war zur Faust geballt. Unter Einwirkung von Chloroform hätte sich die Faust geöffnet.
    Sie hielt diese Beobachtungen in ihrem Notizbuch fest und sagte dann: »Und wer hat die Leiche gefunden?«
    »Eine Bibliothekarin von der Frühschicht«, sagte Harker. »Nancy Whistler. Sie ist in der Damentoilette und weigert sich, wieder rauszukommen.«

16
    In der Damentoilette roch es nach Kiefernnadeln und White Diamonds. Ersteres ging auf die regelmäßige Verwendung von Desinfektionsspray zurück, Letzteres war der Name von Nancy Whistlers Parfum.
    Sie war eine hübsche junge Frau, die das Stereotyp der unscheinbaren, mausgrauen Bibliothekarin Lügen strafte und ein eng anliegendes Sommerkleid trug, das so leuchtend gelb wie Osterglocken war.
    Sie war über eines der Waschbecken gebeugt und spritzte sich aus einem aufgedrehten Hahn kaltes Wasser ins Gesicht. Dann trank sie aus ihren gewölbten Händen, gurgelte und spuckte das Wasser wieder aus.
    »Tut mir Leid, dass ich so furchtbar aussehe«, sagte sie.
    »Kein Problem«,

Weitere Kostenlose Bücher