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Das Gesicht

Das Gesicht

Titel: Das Gesicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean Koontz
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sagte er: »Wir sind ins Leichenschauhaus eingeladen. Keine Musik, kein Tanz. Aber es könnte ganz lustig werden.«

24
    Vom schmeichelnden Kerzenschein liebkost, schien das getriebene klassische Tafelsilber unablässig kurz vor dem Schmelzen zu stehen.

    Da er fünf mächtige und einflussreiche Persönlichkeiten an seinem Tisch versammelt hatte, freute sich Victor schon auf anregende Gespräche, die er subtil in die richtigen Kanäle leiten konnte, damit sie seinen Interessen dienten, nachdem der Bürgermeister, der Staatsanwalt, der Rektor der Universität und die anderen längst von seinem Tisch aufgestanden waren. Für Victor war jeder gesellschaftliche Anlass in erster Linie eine Gelegenheit, Einfluss auf hochgestellte Persönlichkeiten aus Politik und Kultur zu nehmen und seine Vorhaben diskret voranzutreiben.
    Zu Beginn wurde natürlich über Belanglosigkeiten gesprochen, selbst unter derart kultivierten Menschen. Aber Victor bildete sich ein, einen lockeren Plauderton ebenso gut anschlagen zu können wie jeder andere, und er konnte diese geistreichen Frotzeleien sogar genießen, weil sie seine Vorfreude auf fruchtbarere Diskussionen steigerten.
    William und Christine servierten die Suppe. Der Butler hielt die Terrine, während das Mädchen eine cremige blassrosa Delikatesse in die Schalen schöpfte.
    In den fünf Wochen seit ihrer Auferstehung aus dem Tank war dies Erikas dritte Abendgesellschaft, und ihre Umgangsformen waren geschliffener, obgleich sie weniger Fortschritte gemacht hatte, als er sich erhofft hatte.
    Er sah sie die Stirn runzeln, als ihr auffiel, dass sich die Blumenarrangements von denen unterschieden, auf die sie so große Sorgfalt verwandt hatte. Sie war so klug, sich nicht dazu zu äußern.
    Aber als seine Frau ihn ansah, sagte Victor: »Die Rosen sind perfekt arrangiert«, damit sie aus ihren Fehlern lernte.
    Staatsanwalt Watkins, dessen Patriziernase inzwischen ein klein wenig deformiert war, weil seine Gewohnheit, Kokain zu schnupfen, an der Knorpelsubstanz fraß, fächelte sich das Aroma, das von der Schale aufstieg, mit einer Hand in die Nasenlöcher. »Erika, diese Suppe riecht einfach köstlich.«

    John Watkins’ Gegner bei der nächsten Wahl – Buddy Guitreau – war einer von Victors Leuten. Victor konnte so viel Schmutz über Watkins ans Licht bringen, dass Buddy die Wahl spielend gewinnen würde. In den Monaten bis dahin war es jedoch notwendig, Watkins mit Essenseinladungen zu schmeicheln und mit ihm zusammenzuarbeiten.
    »Ich liebe Hummersuppe«, sagte Pamela Watkins. »Ist das Ihr Rezept, Erika?«
    »Nein. Ich habe es in einer Zeitschrift gefunden, es allerdings durch Hinzufügung von Gewürzen leicht abgewandelt. Ich bezweifle, dass mir damit eine Verbesserung gelungen ist, wahrscheinlich eher das Gegenteil, aber ich mag nun mal eine gewisse Würze, sogar bei Hummersuppe.«
    »Einfach göttlich«, ließ die Frau des Rektors verlauten, nachdem sie die Suppe gekostet hatte.
    Dieses Kompliment, dem sich andere sofort anschlossen, ließ Erikas Gesicht vor Stolz leuchten, doch als sie selbst einen Löffel Suppe an die Lippen führte, sog sie ihn mit einem langgezogenen leisen Schlürfen in sich ein.
    Victor beobachtete voller Entsetzen, wie sie den Löffel wieder in die Schale tauchte.
    Bei keiner der beiden vorangegangenen Abendgesellschaften war Suppe serviert worden, und in der übrigen Zeit hatte Victor nur zweimal eine Mahlzeit gemeinsam mit Elizabeth eingenommen. Ihr Fauxpas überraschte und beunruhigte ihn.
    Obwohl dieses haarsträubende Zusammenspiel von Zunge und Lippen keinem der anderen Gäste aufzufallen schien, nahm Victor Anstoß daran, dass seine Frau Gefahr lief, verspottet zu werden. Diejenigen, die unter Umständen hinter ihrem Rücken über sie lachen könnten, würden auch ihn auslachen.
    »Die Suppe ist geronnen«, stellte er in den Raum. »William, Christine, serviert sie bitte augenblicklich ab.«

    »Geronnen?«, fragte die Frau des Bürgermeisters bestürzt. »Also, meine ganz bestimmt nicht.«
    »Geronnen«, beharrte Victor, während die Hausangestellten schleunigst die Suppenschalen entfernten. »Und Sie wollen doch kein Hummergericht essen, das im Entferntesten verdorben sein könnte.«
    Erika beobachtete betroffen, wie die Schalen vom Tisch abgeräumt wurden.
    »Es tut mir Leid, Erika«, sagte Victor und brach damit das verlegene Schweigen. »Dies ist das erste Mal überhaupt, dass ich etwas an deinen Kochkünsten auszusetzen habe. Ich habe dich

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