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Das Gesicht

Das Gesicht

Titel: Das Gesicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean Koontz
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verglüht.«
    »Lebern hatte er auch zwei«, sagte Luke, »und eine Milz von zwölf Unzen. Der Durchschnittswert für die Milz liegt bei sieben.«
    »Ein verzweigteres Lymphsystem als alles, was man jemals in einem Lehrbuch zu sehen bekommt«, fuhr Jack fort. »Und außerdem zwei Organe, von denen ich nicht mal weiß, was sie überhaupt sind.«
    »Dann war er also gewissermaßen missgebildet«, sagte Michael. »Äußerlich hat er ganz normal ausgesehen. Vielleicht nicht gerade ein männliches Model, aber auch nicht der Elefantenmensch. Und innen ist er total verkorkst.«
    »Die Natur bringt die unglaublichsten Missbildungen zustande«, sagte Luke. »Schlangen mit zwei Köpfen. Frösche mit fünf Beinen. Siamesische Zwillinge. Sie wären erstaunt, wenn Sie wüssten, wie viele Menschen mit sechs Fingern an der einen oder anderen Hand geboren werden. Aber das ist etwas ganz anderes als« – er tätschelte Allwines nackten Fuß – »unser Kumpel hier.«
    Carson, die Schwierigkeiten damit hatte, zu erfassen, was all das bedeutete, fragte: »Und wie wahrscheinlich ist so was? Eins zu zehn Millionen?«
    Jack Rogers wischte sich mit dem Hemdsärmel die feuchte Stirn ab und erwiderte: »Komm auf den Fußboden, O’Connor. Etwas dergleichen ist ausgeschlossen. Punkt. Das ist keine Mutation. Das ist Design .«
    Im ersten Moment wusste sie nicht, was sie dazu sagen
sollte, und vielleicht zum ersten Mal überhaupt fehlten sogar Michael die Worte.
    Jack ahnte schon, was als Nächstes kommen würde, und sagte: »Und fragt mich bloß nicht, was ich mit Design meine. Der Teufel soll mich holen, wenn ich das weiß.«
    »Es ist ganz einfach so«, führte Luke aus, »dass all diese Dinge den Eindruck machen, als seien sie als … Verbesserungen gedacht.«
    Carson runzelte die Stirn. »Die anderen Opfer des Chirurgen … bei denen seid ihr auf nichts Seltsames gestoßen? «
    »Nichts, null, nada. Ihr habt die Berichte gelesen.«
    Über den Raum hatte sich eine derartige Atmosphäre von Unwirklichkeit herabgesenkt, dass Carson nicht restlos erstaunt gewesen wäre, wenn sich der Leichnam auf dem Autopsietisch aufgerichtet und versucht hätte, sich selbst zu erklären.
    Michael räusperte sich. »Jack, wir würden liebend gern ein Embargo über deinen Autopsiebericht im Fall Allwine verhängen. Lege ihn hier bei den Akten ab, aber schick uns keine Kopie. Unsere Dokumentenbox ist in der letzten Zeit nicht mehr sicher vor Übergriffen, und wir wollen nicht, dass andere etwas davon erfahren. Gib uns … sagen wir mal, achtundvierzig Stunden.«
    »Und hefte ihn nicht unter Allwines Namen oder unter der Fallnummer ab, wo er leicht auffindbar ist«, ergänzte Carson. »Hefte ihn ab unter …«
    »Munster, Herman«, schlug Michael vor.
    Jack Rogers verstand sich auf viel mehr als nur Eingeweide. Die Tränensäcke unter seinen Augen schienen dunkler zu werden, als er sagte: »Das ist nicht das einzig Seltsame, worauf ihr gestoßen seid, stimmt’s?«
    »Du weißt ja, dass der Tatort Eigentümlichkeiten aufgewiesen hat.«

    »Aber das ist auch noch nicht alles, was ihr in der Hand habt.«
    »Seine Wohnung war die Höhle eines Ungeheuers«, weihte Michael ihn ein. »Die Psyche von diesem Typen war genauso seltsam wie alles, was du in seinem Innern gefunden hast.«
    »Was ist mit Chloroform?«, fragte Carson. »Ist es gegen Allwine eingesetzt worden?«
    »Die Ergebnisse der Blutuntersuchung haben wir vor morgen nicht«, sagte Jack. »Aber ich glaube, ich kann gefahrlos sagen, dass wir kein Chloroform finden werden. Diesen Typen hätte man damit nicht überwältigen können.«
    »Warum nicht?«
    »In Anbetracht seiner Physiologie hätte es bei ihm nicht so schnell gewirkt wie bei dir oder mir.«
    »Wie schnell?«
    »Schwer zu sagen. Fünf Sekunden. Vielleicht auch zehn.«
    »Und außerdem«, mischte sich Luke ein, »wären Allwines Reflexe, wenn man versucht hätte, ihm ein mit Chloroform getränktes Tuch aufs Gesicht zu pressen, schneller gewesen als Ihre … oder meine.«
    Jack nickte zustimmend. »Und er muss ungeheuer stark gewesen sein. Viel zu stark, um sich von einem gewöhnlichen Menschen auch nur einen Moment lang festhalten zu lassen. Und schon gar nicht so lange, bis das Chloroform wirkt.«
    Carson dachte wieder an den friedlichen Ausdruck auf Bobby Allwines Gesicht, als seine Leiche in der Bücherei auf dem Fußboden gelegen hatte, und sie kehrte zu ihrem ersten Eindruck zurück, dass er seine eigene Ermordung willkommen geheißen hatte.

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