Das Gesicht
ist passiert? Warum bist du so aufgeregt?«
»Du bist hier nicht Psychiaterin. Hier bist du nichts anderes als eine Freundin. Habe ich Recht?«
Kathy stellte den zweiten Kaffeebecher auf den Tisch, kehrte zu ihrem Stuhl zurück und sagte: »Ich bin immer
deine Freundin, Carson – hier, im Büro und überall sonst auch.«
Carson blieb auf den Füßen, da sie zu überdreht war, um sich hinzusetzen. »Nichts von dem, was ich dir hier erzähle, darf in meine Akte kommen.«
»Außer, du hast jemanden umgebracht. Hast du jemanden umgebracht?«
»Nicht heute Nacht.«
»Dann spuck es aus, Freundin. Du gehst mir auf die Nerven.«
Carson zog einen Stuhl unter dem Tisch heraus und setzte sich. Sie griff nach dem Kaffeebecher, zögerte und nahm ihn nicht.
Ihre Hand zitterte. Sie ballte sie zur Faust. Ganz fest. Und öffnete sie wieder. Sie zitterte immer noch.
»Hast du jemals einen Geist gesehen, Kathy?«
»Ich habe die Spuktour durch New Orleans mitgemacht und war nachts in der Krypta von Marie Laveau. Zählt das?«
Carson hielt den Henkel des Bechers umklammert und starrte ihre weißen Knöchel an, als sie sagte: »Es ist mein Ernst. Ich meine all diesen verrückten Blödsinn, der einem einfach nicht in den Kopf geht. Geister. UFOs, Big Foot …« Sie warf einen Blick auf Kathy. »Sieh mich nicht so an.«
»Wie?«
»Wie eine Psychiaterin.«
»Du brauchst nicht gleich in die Defensive zu gehen.« Kathy klopfte auf das Buch mit dem Drachen auf dem Einband. »Ich bin hier schließlich diejenige, die jede Woche drei Fantasy-Romane liest und sich wünscht, sie könnte tatsächlich in einem von ihnen leben .«
Carson blies in ihren Kaffee, nippte zögernd daran und trank dann einen größeren Schluck. »Den kann ich gebrauchen. Ich habe nicht geschlafen. Heute Nacht kann ich ganz bestimmt nicht schlafen.«
Kathy wartete mit professioneller Geduld.
Nach einer Weile sagte Carson: »Die Leute reden über das Unbekannte, über das Mysterium des Lebens, aber ich habe nie auch nur einen Spritzer Geheimnisvolles darin gesehen.«
»Einen Spritzer?«
»Einen Tropfen, eine Prise, eine Messerspitze, einen Teelöffel – wie du willst. Ich möchte im Leben etwas Geheimnisvolles sehen – wer nicht? Eine Art mystischen Sinn, aber ich stehe nun mal viel zu sehr auf Logik.«
»Bis heute? Dann erzähl mir jetzt von deinem Geist.«
»Er war kein Geist. Aber irgendetwas war er. Ich bin die letzte Stunde, vielleicht auch länger, durch die Gegend gefahren und habe versucht, die richtigen Worte zu finden, um zu erklären, was passiert ist …«
»Fang damit an, wo es passiert ist.«
»Ich war in Bobby Allwines Wohnung …«
Kathy beugte sich interessiert vor und sagte: »Das letzte Opfer des Chirurgen. Ich habe ein Persönlichkeitsprofil des Mörders erstellt. Aus dem wird man nicht so leicht schlau. Psychotisch, aber beherrscht. Keine offensichtliche sexuelle Komponente. Bisher hat er am Tatort so gut wie keine forensischen Spuren hinterlassen. Keine Fingerabdrücke. So vorausschauend ist ein gewöhnlicher Psychopath im Allgemeinen nicht.«
Kathy schien zu merken, dass sie das Ruder des Gesprächs an sich gerissen hatte. Sie ließ es los und lehnte sich auf ihrem Stuhl zurück.
»Tut mir Leid, Carson. Wir haben gerade über deinen Geist gesprochen.«
Kathy Burke konnte die Polizeiarbeit und ihre Freundschaft mit Carson wahrscheinlich klar voneinander trennen, aber wenn sie erst einmal hörte, was Carson hierher geführt hatte, dann würde es ihr schwerer fallen, ihre Rolle als Psychiaterin abzulegen und nicht wieder hineinzuschlüpfen.
Ein Riese mit einem seltsam deformierten Gesicht, der behauptet, aus Leichenteilen von Verbrechern erschaffen worden zu sein, und er behauptet auch, er sei durch Blitze zum Leben erweckt worden. Er kann sich mit einer so ungeheuren Geschmeidigkeit bewegen, so unheimlich verstohlen und in einem derart unmenschlichen Tempo, das alles kann nichts Geringeres als übernatürlich sein, und daher könnte das, was er zu sein vorgibt, durchaus …
»Hallo? Was ist mit deinem Geist?«
Anstelle einer Antwort trank Carson noch einen Schluck Kaffee.
»Das war schon alles?«, fragte Kathy. »Erst machst du mich neugierig und dann verabschiedest du dich?«
»Tut mir Leid.«
»Das will ich aber auch hoffen. Ich hatte mich nämlich schon darauf gefreut, eine Spukgeschichte aufgetischt zu bekommen. «
»Wenn ich es dir als Freundin erzähle, kompromittiere ich dich beruflich. Du wirst mich melden
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