Das Gespenst der Nacht
Überhaupt war alles Menschliche verschwunden. Sie war in eine neue Existenz eingetreten, und jetzt ging es um andere Dinge.
Susan Winter ging die ersten Schritte. Sie kamen ihr tapsig vor, und sie ärgerte sich darüber. Mit der Handfläche stieß sie gegen eine raue Wand. Und die tastete sie ab, bis sie plötzlich etwas fand, was sie gesucht hatte.
Es war ein Lichtschalter.
Aus ihrem Mund drang ein glucksendes Lachen. Sie tastete den Schalter ab, was kein Problem war, und konnte ihn bewegen.
Sie hörte ein Klicken.
Etwas zuckte an der Decke entlang. Es war eine Mischung aus Licht und Schatten, bei der die Schatten verschwanden, sodass nur das Licht zurückblieb.
Sie sah etwas. Endlich. Aber was sie sah, das riss sie nicht zu Jubelstürmen hin. Sie befand sich in einem Kellerraum. Es gab kein Fenster, es gab keine glatten Wände, aber es gab eine Tür, und sie lag nur wenige Schritte entfernt.
Dorthin ging sie. Sie rechnete nicht damit, dass die Tür offen war. Deshalb zeigte sie sich auch nicht enttäuscht, dass man sie abgeschlossen hatte.
Es war schlecht für sie. Jetzt gab es einzig und allein das Warten. Das gefiel ihr gar nicht. Sie riss den Mund weit auf, und ein Schrei der Wut verließ die Kehle.
Noch einmal rüttelte sie an der Tür – und hatte Glück. Plötzlich war sie offen. Susan hatte nur hart zerren müssen, und jetzt hatte sie es geschafft.
Sie hielt die Klinke noch fest. Ein zischender Laut drang über ihre Lippen, aber sie fühlte sich jetzt besser. Sie trat auf einen Flur hinaus. Da war ein Lichtschalter nicht zu übersehen. Sie drückte darauf, und im Flur wurde es hell. Es war nicht viel Licht, was sich verteilte, aber der Blutsaugerin reichte es.
Sie blieb nicht weit von der Tür entfernt stehen und dachte über etwas nach. Die Gedanken musste sie erst sortieren. Sie mussten zudem stärker werden als die Gier nach dem Blut der Menschen. Das hier war erst einmal wichtiger.
Sie nahm einen Geruch wahr, der ihr nicht unbekannt war. Da roch es nach alten Kleidern und Schminke.
Sie befand sich im Keller des Hauses, das Melissa Hunter gehörte, hier mussten sich die Mädchen geschminkt und umgezogen haben, bevor sie losgeschickt worden waren.
Plötzlich konnte sie nicht mehr an sich halten. Sie musste einfach kichern. Alles war für sie gut gelaufen, auch wenn sie sich jetzt verändert zeigte.
Äußerlich sah sie aus wie ein Mensch.
In ihrem Innern sah es anders aus. Da war sie das Tier, das keine Rücksicht kannte und seinen eigenen Weg zum Blut gehen musste. Sie wusste, dass sie ohne Blut nicht existieren konnte. Sie musste es schlürfen. Sie musste es genießen, aber sie musste es erst mal haben, und das würde zu einem Problem werden.
Hier im Keller bekam sie es nicht. Einige Male drehte sie sich um die eigene Achse, wie jemand, der etwas sucht.
Es war nichts da.
Es gab keinen Ort, an dem sich der Geruch intensiviert hätte. Sie wollte das Blut eines Menschen riechen, um sich dann auf ihn zu stürzen.
Es blieb beim Wunsch und auch bei ihrer Einsamkeit. Hier unten traf sie keinen. Sie hätte auch schreien können, aber das würde nichts bringen. Hier bekam sie kein Blut, und deshalb konnte sie nicht im Keller bleiben. Sie wollte nach oben in den Bereich, der ihr bekannter war.
Nachdem sie den Vorsatz gefasst hatte, ging sie auf die Treppe zu. Sie fühlte sich innerlich stark. Man konnte sagen, dass sie bereit war, neue Welten zu erobern …
***
Die beiden Typen, die im Hintergrund bleiben sollten, waren Liane Bradford und Johnny Conolly. Ob sie sich daran hielten, wussten Bill und ich nicht. Wir waren losgefahren und hatten die beiden im Haus der Conollys zurückgelassen.
Sheila war es nicht recht gewesen. Sie hatte nicht viel gesagt und war froh, dass Johnny und Liane zumindest bleiben wollten.
Über Melissa Hunter hatten wir uns kundig gemacht. Sie gehörte nicht zu den großen Agentinnen in der Filmbranche, aber sie war schon bekannt und galt als besonders begabt, wenn es um Co-Stars ging. Also die Besetzung der Nebenrollen. Dafür hatte sie ein Händchen, und da wurde sie auch immer wieder eingesetzt.
Wir hatten überlegt, sie anzurufen, es dann aber gelassen, denn die überraschenden Besuche waren noch immer die wirkungsvollsten. Bill hatte sich einverstanden erklärt, mit mir in meinem Rover zu fahren.
Die Stadt hatte bereits ein weihnachtliches Aussehen bekommen, sodass ich wieder ein schlechtes Gewissen verspürte, wenn ich daran dachte, dass ich mich noch um
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