Das Gespenst der Nacht
Viel bekam sie nicht zu sehen. Sie empfand es sogar als enttäuschend und ging davon aus, dass sie die Tür ganz öffnen musste.
Das tat sie auch.
Dabei hatte sie kein gutes Gefühl, aber das musste sie überwinden und stand schließlich auf der Schwelle, den Blick in ihren Vorgarten gerichtet. Sie sah auch das Tor am Ende und stellte fest, dass es verschlossen war.
Dort hinten hielt sich auch niemand auf. Wenn dort geklingelt worden war, dann hatte sich der Besucher zurückgezogen, denn sie sah auch weiterhin nichts.
Und doch war sie unruhig.
Sheila wollte nicht auf der Stelle warten. Sie ging, aber nicht ins Haus zurück, sondern einen normal großen Schritt und dann noch einen kleineren vor.
Sie stand im Freien.
Und sie hörte etwas.
Nicht vor oder neben, sondern über sich. Im ersten Moment war sie davon überrascht. Das war eigentlich unnatürlich, und sie wollte zurückgehen.
Es war zu spät.
Von oben her ließ sich jemand fallen. Er hatte auf dem Dach gelauert. Sheila sah noch den Schatten, dann wurde sie schon erwischt und zu Boden geschleudert.
Zudem hatte sie das Pech, unglücklich zu fallen. Sie schlug mit dem Kopf hart auf, und als sie wieder klar denken konnte, da lag sie nicht mehr im Freien, sondern im eigenen Haus, in das sie hineingeschleift worden war.
Dafür hatte die fremde Person gesorgt, die jetzt neben ihr kniete und sie kalt angrinste.
Sheila hatte sie noch nie zuvor gesehen, doch was sie nun sah, das reichte ihr aus.
Da der Mund nicht geschlossen war, sah sie die beiden spitzen Zähne aus dem Oberkiefer ragen …
***
Sheila war klar, was das bedeutete. Sie war nicht von einer normalen Person überfallen worden, sondern von einer Blutsaugerin, deren Kräfte die eines Menschen weit überlegen waren.
Und jetzt saß die Person neben ihr. Ein Mensch, der kein Mensch war und sie nur ansah. Eine Person, die bestimmt gierig darauf war, ihren Hunger mit dem Blut eines Menschen zu stillen.
Und ich soll das Opfer sein!
Dieser Gedanke stach in Sheilas Hirn und setzte sich dort fest.
Trotzdem wollte sich Sheila nicht geschlagen geben. Sie startete keinen Angriff, dazu war sie viel zu schwach, aber sie wollte etwas Bestimmtes wissen.
»Wer sind Sie?«
»Ach, wissen Sie das nicht?«
»Vielleicht.«
»Ich will es Ihnen sagen. Ich bin Melissa Hunter. Ich bin die Person, die Menschen für Filme und Fotoarbeiten castet. Ich habe eine Agentur, die gut läuft, und ich bin zugleich jemand, der sich um das Altern nicht zu kümmern braucht.«
Ja, das hatte Sheila schon gehört. Nun schaute sie zum ersten Mal in das Gesicht dieser Person, und das aus der Nähe. Sie sah alles, und wenn sie das Alter der Person hätte schätzen müssen, wäre es ihr schon schwergefallen. Sie sah nicht alterslos aus, sie wirkte auf die Betrachterin etwas seltsam. Es lag an der Haut, die aussah wie graues Fett oder auch Kitt. Nur war sie nicht so glatt, sondern von dünnen Fältchen durchzogen, die nicht dicker als Risse waren.
War das die alterslose Haut?
Durchaus möglich. Sie würde sich kaum regenerieren, wenn die Person kein Blut trank. Noch sah die Blutsaugerin nicht so schlimm aus, aber sie war bestimmt nicht in das Haus eingedrungen, um nur einen guten Abend zu wünschen.
»Was wollen Sie von mir?«
Die Vampirin lachte. »Du weißt es bestimmt schon. Ich kenne jemanden, der das auch weiß und der mit einer anderen Person in dieses Haus gegangen ist, um sich zu verstecken, aber man kann sich vor mir nicht verstecken. Ich bin schneller. Ich komme immer an mein Blut heran.«
Das glaubte Sheila ihr aufs Wort. Nur wollte sie nicht gerade die sein, die ihr Blut spendete. Wie es aussah, würde Melissa es versuchen, da brauchte man sich nur auf ihren Blick zu konzentrieren, der mehr als gierig war.
Aber Sheila dachte nicht daran, sich wehrlos zu ergeben.
Den harten Aufprall hatte sie überwunden. Was ihr noch nicht behagte, war ihre Position. Sie lag auf dem Rücken, und sie kam sich dabei so wehrlos vor.
Melissa Hunter betrachtete sie nicht nur. Sie fasste sie auch an. Ihre Hände glitten über Sheilas Körper. Dabei hielt Sheila Conolly die Luft an. Sie sagte jedoch nichts und machte sich nur um etwas anderes Gedanken.
Was würde wohl passieren, wenn jetzt Johnny und Liane Bradford erschienen?
Den Gefallen tat man ihr nicht. Helfer blieben verschwunden, auch darüber dachte sie nach, und sie beschloss, alles andere als wehrlos zu bleiben.
»Lassen Sie das!«
»Was?«
»Das Anfassen.«
Melissa
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