Das Gespenst der Nacht
versprechen.«
»Das denke ich auch, Ma.«
Sheila zog sich wieder zurück. Nachdem sie die Tür hinter sich geschlossen hatte, verschwand das Lächeln aus ihrem Gesicht und machte einem sorgenvollen Ausdruck Platz. Das sahen die beiden jungen Leute nicht, die im Zimmer zurückgeblieben waren.
Liane lächelte und malte Kreise in die Luft. »Deine Mutter ist immer sehr besorgt – oder?«
Johnny schlug auf seine Oberschenkel. »Darauf kannst du Gift nehmen, das ist sie.«
»Finde ich toll.«
Johnny wiegte den Kopf. »Das kann dir manchmal aber schon auf die Nerven gehen.«
»Besser als umgekehrt.«
»Ist im Endeffekt auch wieder wahr.«
Draußen war es dunkel geworden. Als Liane zum Fenster schaute, sagte sie: »Das ist ihre Zeit.«
»Wen meinst du?«
»Die Vampire.«
Johnny brauchte nicht lange zu überlegen. »Ja, du hast recht.«
»Dann werden wir wohl bald mit ihnen zu tun bekommen.«
Darauf gab Johnny Conolly keine Antwort …
***
Sheila hatte das Zimmer ihres Sohnes verlassen. Sie war in Gedanken versunken und dachte über die junge Frau nach, die in Johnnys Zimmer saß.
Sie machte einen ruhigen und auch einen sympathischen Eindruck, aber auch sie hatte ein bestimmtes Schicksal zu tragen. Man konnte sie beim besten Willen nicht als normal bezeichnen.
Irgendwie passte sie in diese Familie, denn Sheila sah die Conollys auch nicht als normal an. Egal, wer es war, sie glitten immer wieder hinein in den Horror und hatten letzten Endes auch das Nachsehen.
Sheila wusste nicht, wie ihr Sohn zu seiner neuen Flamme stand. Und ob es überhaupt seine Flamme war. Dahinter musste noch immer ein Fragezeichen gemacht werden. Es konnte sein, dass Johnny diese junge Frau als Schutzbefohlene ansah. Sheila nahm sich vor, mit ihrem Sohn darüber zu reden, sobald sich die Gelegenheit ergab. Erst mal wollte sie abwarten, was geschah, und keine Pferde scheu machen.
Sie ging in das Wohnzimmer. Sie wollte durch die breite Scheibe einen Blick in den Garten werfen. Immer wenn sie ihn als Bild vor Augen hatte, ging es ihr gut. Da war es ihr egal, ob der Garten ein winterliches Aussehen angenommen hatte.
Sheila beschäftigte sich gedanklich mit einem Umbau. Oder besser gesagt einem Anbau in Höhe der Küche.
Im Moment allerdings musste sie diese Gedanken zurückstellen. Sie schaffte es nicht, sich so zu konzentrieren, wie es nötig gewesen wäre, denn wieder mal steckten sie in einem Dilemma.
Wie die Nacht verlaufen würde, das wusste sie nicht. Zumindest nicht normal, davon ging sie aus. Es würde bestimmt wieder Ärger geben, und den konnte sie nicht gebrauchen. Aber sie wusste nicht, wie sie das ändern sollte.
Dass weder ihr Mann Bill anrief noch John Sinclair etwas von sich hören ließ, das ärgerte sie schon. Einer der beiden hätte zumindest Bescheid geben können. So saß sie wie auf den berühmten heißen Kohlen und musste warten.
Und dann meldete sich doch jemand.
Es war die Türklingel, die anschlug.
Damit hatte Sheila Conolly nun gar nicht gerechnet. Wer konnte das sein? Sie glaubte nicht daran, dass es sich um Bill und seinen Freund handelte.
Nach einigen Schritten hatte sie den Monitor erreicht, der ein Bild von der Straße und der Umgebung abgab, die vor dem Haus lag. Sie sah den schmutzigen Schnee, auch die Straße und einen Teil des Gehsteigs, aber von einem Besucher entdeckte sie nichts.
Stand er im toten Winkel? Oder war er wieder verschwunden, nachdem er geschellt hatte?
Sheila wusste es nicht. Es gab auch keinen Hinweis, und sie stellte fest, dass sie alles andere als ruhig war. In ihrem Innern hatte sich schon eine bestimmte Unruhe ausgebreitet, die auch ihr Herz nicht verschonte, sodass sie eine gewisse Beklemmung verspürte.
Sie wartete.
Dabei überlegte sie.
Das Klingeln hatte sich nicht wiederholt. Eingebildet hatte sie es sich auch nicht. Irgendwo musste sich der Scheller ja aufhalten. Ob er im Garten war?
Der Gedanke daran ließ sie nicht los. Sie konnte die Stellung der Kameras so verändern, dass sie eine andere Umgebung zeigte.
Das tat Sheila auch. Sie spielte mit den Kameras und sorgte dafür, dass sie ein anderes Gebiet des Vorgartens auf den Schirm zauberte.
Nichts.
Leer.
Hatte überhaupt jemand geschellt?
Plötzlich kamen Sheila Zweifel. Aber dann entschied sie sich, den Dingen auf den Grund zu gehen, und deshalb öffnete sie auch die Haustür. Allerdings nur so weit, bis sie von einer Kette gehalten wurde und Sheila nur einen begrenzten Blick hinaus werfen konnte.
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