Das Gespenst der Nacht
Falle.«
»Ja.«
»Und dann?«
Liane winkte ab. »Hör doch auf, so dämlich zu fragen. Melissa bekommt sie und kann damit machen, was sie will. Es ist ja nicht so, dass ich jede Frau oder jeden Mann, den ich treffe, in die Falle locke. Nein, das ist es nicht. Da wird schon ausgewählt. Und nicht wenige arbeiten für die Agentur. Ob sie später mal ganz normal entlassen oder zur Blutbeute werden, das entscheidet die Chefin.«
»Aha. Aber du hast gesungen.«
»Ja. Sogar in einer Band, deren Anführer sich dem Teufel verschrieben hatte. Du kannst dir vorstellen, dass ich mich dort wohl gefühlt habe. Aber das hat dein Freund zerstört, und deshalb werden wir bei ihm etwas zerstören, nämlich dich. Mit dir beginnen wir. Sollten sich deine Freunde bei uns zeigen, gibt es Ärger.«
Johnny nickte. »Gratuliere«, sagte er dann, »ich gratuliere dir wirklich, Liane. Ich habe nichts von deinem Doppelleben geahnt.«
»Jetzt weißt du es. Aber jetzt ist es für dich zu spät.« Sie grinste ihn kalt an. »Wir haben unser erstes Ziel erreicht und werden dich aus dem Verkehr ziehen. Melissa will dich zu einem Blutsauger machen. Ich denke, dass ich dem zustimmen kann.«
»Ich aber nicht.«
»Das weiß ich. Aber was kannst du schon gegen uns ausrichten?«
Johnny suchte fieberhaft nach einem Ausweg aus dieser Lage. Alles hatte sich verändert. Aus Freund war der Feind geworden, und er wusste, was er zu tun hatte.
»Ich werde es darauf ankommen lassen.«
Jetzt mischte sich Melissa Hunter ein. »Wer schlechte Karten hat, sollte nicht anfangen zu reizen.«
»Das meine ich auch«, erklärte Liane und holte ein Messer hervor. Sie musste es in der Zwischenzeit heimlich an sich genommen haben.
Johnny spürte einen Stich in der Brust. Nie hätte er damit gerechnet, mal von Liane Bradford angegriffen zu werden.
Er behielt trotzdem die Nerven. »Okay, ich sehe, was du in der Hand hältst. Ihr habt nicht vor, mich in einen Vampir zu verwandeln?«
Liane riss überrascht die Augen auf. »Ach, du hast dich tatsächlich entschlossen, ein Untoter zu werden?«
»Ja, dann bin ich nicht vom Erdboden verschwunden.«
»Das stimmt auch wieder.«
»Dann lass es gut sein«, meldete sich Melissa Hunter. »Ich kann ihn verstehen. Ein endloses Leben zu genießen, das ist etwas ganz Besonderes. Oder?«
»Du sagst es«, flüsterte Johnny.
»Du wirst dich noch wundern, wie wunderbar es ist, in die neue Existenz zu gleiten. Es wird herrlich sein. Du wirst zuerst eine Schwäche spüren und dann die Stärke.«
Er nickte nur. Johnny wollte sich nicht ablenken lassen. Er musste jetzt voll dabei sein.
Liane stand etwas im Hintergrund. Sie war Aufpasserin und Zuschauerin zugleich, und sie schien nur auf den Moment zu warten, endlich eingreifen zu können.
Melissa lächelte.
Es war ein falsches Lächeln. Aber auch ein böses. Sie breitete die Arme aus, um ihr Opfer würdig zu empfangen.
Johnny ging weiter. Es gab kein Zurück mehr für ihn. Melissas Gesicht war für ihn zu einer lächelnden Fratze geworden. Sie hielt den Mund so weit geöffnet, dass die Spitzen ihrer Zähne zu sehen waren.
»Dann komm endlich!«
Er ging den letzten Schritt, und Melissa schloss ihre Arme um ihn, als wäre sie ein weiblicher Krake. Sie wollte alles haben. Ihn ganz und gar. Seinen Körper und auch das Blut, das in seinen Adern floss.
Ein noch frisches, junges Blut, wie sie einige Male flüsterte. Sie drückte ihn an sich, und Johnny spürte ihren Körper überall an den Stellen, gegen die er normalerweise nichts hatte. In diesem Fall schon.
Dann reckte sie sich und stellte sich dabei auf die Zehenspitzen. Sie wollte mit ihrem Gebiss an seinen Hals heran, denn Johnny war größer als sie.
»Komm doch her, verdammt …« Ihre Ungeduld war da, und Johnny senkte seinen Oberkörper etwas.
»Ja, so ist es gut.«
»Stimmt«, brüllte Johnny und tat das, auf das er sich innerlich vorbereitet hatte.
Er rannte mit ihr in eine bestimmte Richtung, brüllte noch mal und sah, dass er Glück hatte.
Beide Frauen stießen zusammen.
Melissa Hunter prallte gegen ihre Freundin, die noch das Messer in ihrer Hand hielt, wobei sie die Spitze nach vorn gerichtet hatte.
Die Klinge traf ihr Ziel. Sie drang durch die Kleidung und blieb im Rücken der Blutsaugerin stecken.
Kein Schrei erklang. Kein Blut floss. Johnny hörte wohl einen harten Fluch, da aber hatte er die Gestalt schon losgelassen. Mit beiden Händen setzte er zum Schlag an und hämmerte seine Fäuste gegen den
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