Das Gespinst des Bösen
Ihnen?»
«Warum sollte das so sein?»
«Ich weiß nicht.»
«Glauben Sie, Fuchsia hält irgendwas zurück, Mrs. Watkins? Oder glauben Sie, sie lügt?»
«Ich glaube, wir müssen noch mal darüber reden, das ist alles.»
«Sie glauben, sie lügt, oder, Mrs. Watkins?»
Oh Gott, warum hatte sie dort angerufen? Warum hatte sie nicht zuerst nachgedacht? Oder vielleicht gebetet, in der Stille gesessen und auf ihre innere Stimme gehört.
«Wie geht es ihr, Felix, seit der Segnung?»
In der Stille war durch die offene Tür des Spülküchenbüros das Ticken der Küchenuhr zu hören.
«Ich glaube, sie war noch mal dort», sagte Felix.
«Dort?»
«In Garway. Im Meisterhaus. Ich war weg, um Bauholz für die Scheune zu holen, und als ich nach Hause kam, war sie nicht hier. Hatte den Transporter genommen. Als sie wiederkam, war es dunkel. Sie hat gesagt, sie wäre in Hereford gewesen, einkaufen. Aber das macht sie samstags nie. Sie hasst Gedränge.»
«Woher wissen Sie, dass sie noch mal bei dem Haus war?»
«Weil wir immer noch einen Schlüssel haben. Als ich zu Adam sagte, dass wir ihn zurückgeben, meinte er, es hätte keine Eile. Hat wahrscheinlich immer noch gedacht, wir machen den Job doch noch.»
«Und der Schlüssel war weg?»
«Jetzt ist er wieder da. Und, nein, sie möchte nicht darüber sprechen.»
«O.k.», sagte Merrily. «Wie wäre es, wenn ich jetzt vorbeikomme?»
«Nein!»
«Ich glaube, es würde helfen.»
«Ihnen würde es vielleicht helfen, mir nicht. Wenn sie mich nicht mehr zu diesem verdammten Haus fahren lässt, weil es so böse ist, warum geht
sie
dann wieder hin? Können Sie mir das erklären?»
«Kann ich nicht. Ich wünschte, ich hätte es gewusst. Ich war heute Nachmittag auch in Garway.»
«In dem Haus?»
«Nein, ich war in der Kirche. Ich bin nicht zum Haus gegangen.»
«Warum nicht?»
Gute Frage.
Weil ich entschieden hatte, dass ich missbraucht werde, ausgenutzt, falsch informiert. Weil ich genervt war. Weil es geregnet hat.
«Hätte ich gewusst, dass sie dort ist, wäre ich natürlich hingegangen.» Gott, was für eine Scheiße. «Felix, könnten Sie Fuchsia bitten, mich anzurufen? Könnten Sie ihr sagen, dass es sehr wichtig ist?»
«O.k.», sagte er. «Ich werd versuchen, sie dazu zu bringen, sich bei Ihnen zu melden.»
«Wann auch immer. Egal, wie spät.»
«Ja.»
Woraufhin Merrily das Handy mit ins Schlafzimmer nahm und nachts immer wieder aufwachte, weil sie glaubte, sein elektronisches Glockenläuten zu hören.
Obwohl es nie zutraf.
12 Geister und Gelehrte
Normalerweise nahm Merrily in ihrer Umgebung nach einer Messe leichte Veränderungen wahr, hatte einen geschärften Blick, mehr Energie – und an schönen Tagen ergoss sich das Sonnenlicht über die aus Holz geschnitzten Äpfel des Lettners, und in der Luft zitterte Goldstaub.
Dies war kein schöner Tag. Als Merrily die Kirchentür aufgeschlossen hatte, unter einem grabsteingrauen Himmel, hatte der Kirchenraum nicht auf sie gewirkt. Sechzehn Menschen waren zur Kommunion gekommen. Danach schien jedoch nichts anders zu sein als vorher. Woran Merrily sich selbst und ihren Kopfschmerzen die Schuld gab.
«Es tut mir so leid», sagte Shirley West in der Sakristei und wiegte den leeren Kelch wie ein krankes Baby. «Ich bin so wahnsinnig tollpatschig. Ich bin einfach nervös geworden, tut mir leid, Merrily.»
«Sie
haben
ihn ja gar nicht umgestoßen.»
«Aber fast.»
«Shirley, das passiert mir beinahe jede Woche. Ich habe aufgehört, mir deshalb Gedanken zu machen.»
Es wurde einem immer mal wieder gesagt, ein Gottesdienst habe abzulaufen wie ein perfektes Theaterstück und solle mit Präzision und …
«Anmut», sagte Shirley. «Ich habe keine Anmut.»
«Shirley …» Merrily schüttelte den Kopf. «Das stimmt nicht.»
Das war eine Lüge, aber was sollte sie sonst sagen?
Shirley war vor ein paar Monaten nach Ledwardine gezogen und in der Kirche aufgetaucht, noch ehe der Möbelwagen abgefahren war. Sie war Anfang vierzig, übergewichtig, geschieden, Filialleiterin einer Bank in Leominster. Sie hatte Familie hier. Sie war so ziemlich zu jedem Gottesdienst gekommen und hatte sich schnell dafür zuständig erklärt, Gesangbücher auszugeben, Blumen zu arrangieren und, gelegentlich, bei der Abendmahlfeier zu assistieren.
Die Altardienerin.
«Im Laden hat jemand gesagt, dass diese alten Steine wieder aufgerichtet werden sollen, die sie im Boden gefunden haben.»
«Mmm. Die Möglichkeit
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