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Das Gespinst des Bösen

Das Gespinst des Bösen

Titel: Das Gespinst des Bösen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Phil Rickman
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Gig.
    Sie saß am Rand des Kreises, in schwarzen Jeans und Sweatshirt, die Haare zurückgebunden. Sie war kein Mensch für die Kanzel, nie gewesen.
    «Denn wenn man darüber nachdenkt, tun wir das eigentlich nie richtig.»
    Lol ließ sich ein paar Reihen weiter hinten in eine Bank sinken, im tiefen Schatten, und schloss einen Augenblick lang erleichtert die Augen. Er spürte ihre Stimme: leise, weich, bescheiden, vertraut. Und stellte mit leicht schlechtem Gewissen fest, dass er Lust auf sie hatte.
    «Wenn wir uns mit jemandem unterhalten, glauben wir meist, wir würden begreifen, was er sagt, tatsächlich filtern wir es aber … durch das Sieb gelangt nur, was zu unseren eigenen Bedürfnissen passt, zu unseren Wünschen, unseren Ängsten. Wir hören, was wir hören
wollen
, nicht, was der andere wirklich sagt. Mit anderen Worten, unser Verstand spielt dabei eine aktive Rolle. Wir hören nicht
zu
. Ergibt das einen Sinn?»
    Gemurmelte Zustimmung. Die Menschen, die am Sonntagabend herkamen, waren im Großen und Ganzen andere als die, die vormittags den Familiengottesdienst besuchten.
    «O.k.», sagte Merrily. «Sollen wir heute Abend versuchen zuzuhören? Ohne zu filtern, ohne in Frage zu stellen oder zu intellektualisieren? Ohne Interpretationsversuche?»
    Jemand sagte, ja, das sollten sie machen, und Merrily rückte ihren Holzstuhl etwas vor, ins Kerzenlicht.
    «Begeben wir uns zuerst in einen kontemplativen Zustand, um uns zu öffnen. Gut …» Sie legte die Hände mit den Handflächen nach unten auf die Knie. «Dann fangen wir mit der Entspannungsübung an, beginnend mit den Füßen. Wir werden uns unserer Füße bewusst. Bewegen die Zehen …»
    Eine Bank schabte über den Boden.
    «Merrily … Ich wollte fragen …»
    Merrily sah auf.
    «Shirley.»
    «Steht das in der Bibel?»
    «Bitte?»
    «Steht in der Bibel, wir sollen uns öffnen für … Botschaften?»
    «Also … auf die ein oder andere Weise ist die Bibel voll davon. Aber wenn Sie
Botschaften
sagen, dann bin ich nicht ganz sicher, ob wir über dasselbe –»
    «Botschaften aus dem Jenseits? Steht das in der Bibel?»
    «Ich könnte ein paar Beispiele finden, Shirley, aber das sollte hier eigentlich keine Bibelstunde werden, eher eine –»
    «Nur, weil Spiritisten das doch so machen, oder? Sich in Trance versetzen und darauf warten, dass etwas durchdringt. Verstehen Sie mich nicht falsch, ich weiß es zu schätzen, dass Sie hier etwas anderes ausprobieren wollen, Merrily, um ein paar von diesen Leuten in die Gemeinde zu holen, aber ich bin eine altmodische Christin, und ich frage mich die ganze Zeit, ob die Kirche der richtige Ort dafür ist.»
    Merrily seufzte.
    «Shirley, ich verstehe, was Sie meinen, aber zwischen Spiritualität und Spiritismus gibt es einen feinen Unterschied. Nein, eigentlich ist der Unterschied gar nicht so fein, es ist etwas vollkommen –»
    «Woher wollen wir wissen, dass das, was durchdringt, von Gott kommt? Dass es nicht ein Toter ist?»
    Merrilys Gesicht war dem Kerzenlicht zugewandt, und jetzt sah Lol die Anspannung in ihrer Miene.
    «Oder etwas Böses», sagte diese Shirley.
    Unruhiges Gemurmel aus dem Kreis. Ein Stöhnen. Lol seufzte. Eine Fundamentalistin – genau das hatte ihr noch gefehlt.
    «Weil wir es nicht so angehen», sagte Merrily. «In diesem Kontext kommt es aus dem Gebet und ist ein Akt des Glaubens. Shirley, wenn Sie Geduld mit mir –»
    «Es ist nur – in der Dunkelheit, mit einem Kreis aus Kerzen … das fühlt sich für mich nicht richtig an. Ich
möchte
mich nicht öffnen. Woher wollen wir wissen, dass nicht jemand hier ist, der etwas Böses an sich hat, das er mit in die Kirche gebracht hat?»
    Als Merrily dieses Mal aufsah, war Lol schockiert über ihre Blässe.

19 Klingt nach Jane
    Als es vorbei war, hielt Merrily das Löschhütchen über die letzte Kerze und führte Lol durch die Dunkelheit zum Südeingang.
    «Ich bin nicht besonders gut damit umgegangen, nicht?»
    Es war ein Fehler gewesen. Sie fühlte sich krank. Besser, sie hätte es nicht geschafft zu kommen, als mit anzusehen, wie aus der Meditationsandacht eine sinnlose Debatte darüber wurde, ob die traditionelle Abendandacht mit Liedern und allem weiterhin durch Stille und Kontemplation ersetzt werden sollte. Es war eher wie ein verdammtes Pfarrgemeinderatstreffen gewesen.
    «Shirley kommt normalerweise sonntagabends gar nicht. Sie zieht das Strukturierte eines formellen Gottesdienstes vor. Ich meine …»
    «Wer ist

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