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Das Gespinst des Bösen

Das Gespinst des Bösen

Titel: Das Gespinst des Bösen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Phil Rickman
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sie?»
    «Shirley? Ich dachte, ich hätte sie erwähnt. Im Moment mein enthusiastischstes Gemeindemitglied.»
    «Ach, doch. Ja, die hast du erwähnt.»
    Lol stieß gegen das Gestell mit den Gebetbüchern; ein Buch klatschte hörbar auf den Steinboden.
    «Lass liegen, ich heb es morgen früh auf. Warum unterhalten wir uns hier in der Dunkelheit? Wie war der Gig? Oje, ich hab vergessen, wo …»
    «Newtown. Theatr Hafren. War gut. Fast voll. Der Plattenladen aus dem Ort hat im Foyer Alben verkauft. Waren ausverkauft.»
    «Ist ja
toll
. Kommst du mit ins Pfarrhaus? Isst du mit uns?»
    Lol bewegte sich nicht. Sie sah seinen Umriss, den gesenkten Kopf.
    Er sagte: «Als sie gesagt hat … es hätte vielleicht jemand was Böses an sich, das er mit in die Kirche gebracht hat …»
    «Lol …» Gott, was sollte sie sagen? «Es ist etwas lieblos, aber manchmal denke ich, Shirley besucht zu viele Gottesdienste.»
    «Du dachtest, sie meint dich, oder?»
    Merrilys Finger fanden die Steinschale des Taufbeckens und pressten sich in seine Windungen.
    «Du hast mit Jane gesprochen, oder?»
    «Na ja, sie kam gerade rüber. Ein bisschen besorgt. Hat mir von M. R. James erzählt und von der Frau, die gesagt hat, sie hätte eins seiner Gespenster gesehen. Und vom Taubenschlag. Und von dieser Mrs. Mornington.»
    «Wood.» Merrily richtete sich auf. «Morningwood.»
    «Und davon, dass du ein ganz kalkweißes Gesicht hattest, als ihr das Haus verlassen habt, aber nicht darüber reden wolltest.» Lol stand jetzt neben ihr. «Ungefähr so, wie du jetzt nicht darüber reden willst.»
    Merrily lehnte sich an das feste, stabile Taufbecken. Sie sah das Kirchenschiff hinunter, das jetzt schwach vom Mondlicht beleuchtet wurde. Wie ein gerader Weg durch den Wald.
    Aber hier in Ledwardine gab es keinen Grünen Mann.
    «In Ordnung. Ich habe vielleicht … etwas gesehen, das da nicht sein sollte.»
    «Im Haus?»
    «Es sah alles ganz normal aus. Hat sich auch so angefühlt. Bis ich aus irgendeinem Grund beschlossen hab, mir die Kaminecke von innen anzusehen. Es ist eine sehr hohe Kaminecke. Jemand von meiner Größe kann aufrecht darin stehen, und es ist ziemlich viel Platz. Wie ein kleiner, finsterer Raum.»
    Ihr Verstand verkrampfte sich schon wieder. Sie hatte gehofft, das würde mit der Meditation vergehen. Aber die Meditation hatte gar nicht stattgefunden, und vielleicht war das ganz gut. Vielleicht
hatte
sie etwas mitgebracht, und wenn sie die Meditation durchgeführt hätten, wäre sie dadurch verunreinigt worden. Vielleicht hatte Shirley –
Oh, um Gottes willen …
    «Erzähl weiter.» Merrily spürte Lols Hand auf ihrem Arm. «Der kleine finstere Raum hinter dem Kamin.»
    «Ich hatte das Gefühl, nicht allein zu sein. Ich spreche nicht von Gott oder so.»
    «Willst du damit sagen, du hattest das Gefühl, etwas war mit dir in dem Kamin?»
    «Etwas hat mich beobachtet. Es ist alles ziemlich subjektiv. Ein Gefühl, das ich in Garway generell habe. Dort herrscht eine sehr eigentümliche Atmosphäre, ich kann es nicht erklären. Sogar die Kirche scheint Augen zu haben. Historisches Wahrzeichen, empfindsame Landschaft … Oh Gott, hör mich an, das klingt nach Jane, ich rede schon wie sie.»
    Lol war still.
    «Kennst du den Grünen Mann?», fragte Merrily. «Aus Kirchen auf dem Land? Ein aus Stein gemeißeltes Gesicht, das zwischen Laubwerk hervorsieht?»
    «Den Mund voller Blätter und so.»
    «Vielleicht ein altes Symbol für Fruchtbarkeit. In Herefordshire gibt es viele davon. Der in der Kirche von Garway befindet sich in dem Bogen über dem Altarraum und … in dem Balken über dem Kamin im Meisterhaus ist auch einer. Fast identisch, glaube ich, aber das muss ich überprüfen. Ich hab einfach nach oben gesehen, und da war er.»
    «Und du meinst, er hat dich beobachtet?»
    «Er ist an der Rückwand, also nur zu sehen, wenn man
im
Kamin ist. Man sieht ihn erst, wenn man sein Reich …»
    «Ein geheimer Grüner Mann.»
    «Und nicht in einer Kirche. Ich weiß von keinen historischen Grünen Männern, die sich nicht in Kirchen befinden, obwohl es sie vielleicht gibt. Versteckt. Aber warum?»
    «Hat dich dieser Grüne Mann erschreckt? Bist du deshalb so blass geworden?»
    «Ich hab mich in letzter Zeit nicht so besonders gefühlt.» Sie stieß sich vom Taufbecken ab, sie konnte sich jetzt nicht mit dem Thema beschäftigen. «Komm, wir gehen.»
     
    Draußen war Wind aufgekommen und ließ die toten Chrysanthemen in einer Grabvase rascheln.

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