Das Gespinst des Bösen
ähm …» Sie hatte das Ding ja gar nicht gesehen, nur ein Bild, eine Nahaufnahme. «Das hängt wohl davon ab, von welcher Seite man kommt.»
«Es ist nur von einer Seite zu sehen, Jane. Man sieht ihn, wenn man hereinkommt. Auf der
linken
Seite.»
«Oh.»
«Der Pfad zur linken Hand gewissermaßen. Würden jedenfalls die Okkultisten sagen. Aber jetzt lasse ich mich hinreißen. Und mein Kaffee dürfte inzwischen vollkommen kalt sein.» Robbie erhob sich. «Und ich hasse kalten Kaffee.»
«Tut mir leid, Mr. Williams. Aber Sie haben mir wirklich geholfen …»
«Und warum interessiert Sie das nun alles so?»
«Vielleicht erzähle ich es Ihnen eines Tages.»
«Andererseits ist es vielleicht besser, wenn ich es nie erfahre, Jane.»
Sie beobachtete ihn, als er auf die Tür zutrottete, die abgenutzte Aktentasche unter dem Arm, und konnte nicht glauben, wie er, nachdem er all ihre anderen Ideen runtergemacht und die Tempelritter als eine Art ungebildeter Mittelalter-Schlägertruppe abgetan hatte, plötzlich mit etwas so Seltsamem und Beunruhigendem ankam. Sie stand auf.
«Oh …»
Robbie blieb stehen, die Schultern hochgezogen, als hätte sie mit etwas nach ihm geworfen.
«Eins noch, Mr. Williams. Haben Sie schon mal von einem Grünen Mann oder einem bärtigen Kopf oder so gehört, der … nicht in einer Kirche war? Also, in einem öffentlichen Gebäude zum Beispiel? Oder in einem Privathaus?»
«Kann ich nicht behaupten, nein. Und wenn es sich nicht gerade um eine Kapelle handelt, kommt mir das auch unwahrscheinlich vor.» Er drehte sich um und sah sie an, mit zusammengekniffenen Augen. «Warum? Haben
Sie
irgendwo anders einen gesehen?»
«Nein, nein.» Jane schob ihren Stuhl unter einen der Tische. «Ich hab es mich nur gefragt, das ist alles.»
Dieses Mal wurde sofort abgehoben.
«Torhaus.»
«Sophie, ich bin’s. Hören Sie, es tut mir leid, aber –»
«Ich weiß. Ich habe es im Radio gehört. Eine brutalere Art des Selbstmords gibt es wohl kaum, als seinen Kopf einem Zug in den Weg zu legen. Der Lokführer ist dann für alle Ewigkeit traumatisiert. Ich habe versucht, Sie anzurufen. Ich glaube nicht, dass der Bischof es schon weiß.»
«Dadurch stellt sich die Frage, ob ich noch mal nach Garway soll.»
«Oh», sagte Sophie. «Ich bezweifle, dass er das jetzt noch will.»
«Ich glaube aber, dass
ich
es will.»
«Merrily, manche Leute sind offensichtlich in einer Art tragischem Kreislauf gefangen, und egal, was wir –»
«Ein Kreislauf, den ich hätte durchbrechen können, wenn ich mehr gewusst hätte.»
«Ja, das müssen Sie wohl denken.»
«Ich muss verstehen, jedenfalls so weit wie möglich, was da passiert ist.»
«Das herauszufinden ist Sache der Polizei. Oder des Gerichtsmediziners.»
«Oberflächlich betrachtet.»
«Und Sie meinen, dafür brauchen Sie eine ganze Woche?»
«Ich weiß es nicht. Und ich habe noch eine andere Nachricht bekommen, die ich nicht ignorieren kann. Ich werde es erklären, sobald ich etwas mehr weiß.»
«Wollen Sie, dass ich es dem Bischof sage?»
«Bitte.»
«Ich werde herausfinden, ob Ruth Wisdom noch zur Verfügung steht … Merrily?»
«Mmm?»
«Ich glaube, Sie sollten sehr vorsichtig sein», sagte Sophie. «Diese Sache könnte tiefere Ursachen haben, als wir beide es uns vorgestellt haben.»
Merrily kochte Tee und nahm ihn mit in die Spülküche. Sie zündete sich eine Zigarette an und starrte eine Minute lang unglücklich auf den Anrufbeantworter, ehe sie die letzte Nachricht zurückspulte. Die sie erwartet hatte, als sie vom Friedhof zurückgekommen war.
«Mrs. Watkins. Morningwood. Sie kommen bei mir vorbei, ja, Schätzchen?»
Eine Pause, dann:
«Jemand hat keinen furchtbar guten Job gemacht, nicht? Waren Sie es, oder war ich es? Oder läuft irgendetwas anderes schrecklich verkehrt?»
24 In seinen Raum eingedrungen
«Lassen Sie es sein, Merrily», sagte Huw. «Sie denken nicht nach, Sie reagieren einfach nur.»
Sie sagte nichts. Drüben an der Tür standen zwei kleine, gepackte Taschen. Sie hatte keinen vernünftigen Koffer.
«Lassen Sie es gut sein, junge Frau. Kümmern Sie sich um Ihre Gemeinde, beten Sie jeden Morgen und Abend in der Kirche, drei Tage lang. Gehen Sie in sich. Diese Dinge müssen sich erst mal setzen. Und dann betrachten Sie sie noch mal neu.»
«Ich war gerade in der Kirche. Das war kein besonderer Erfolg. Ich war wahrscheinlich zu aufgewühlt.»
«Darum geht es mir ja.»
«Es war sowieso zu spät»,
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