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Das Gespinst des Bösen

Das Gespinst des Bösen

Titel: Das Gespinst des Bösen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Phil Rickman
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habe dort schon so manchen Tag verbracht. Vollkommen versunken in die Vergangenheit.»
    Morrell, der Rektor, hatte eingeführt, dass Oberstufenschüler die Lehrer mit dem Vornamen ansprechen sollten, als wären sie Freunde. Janes Ansicht nach führte das nur zu Peinlichkeiten, und ihr Geschichtslehrer, der seinen Vornamen noch nie verraten hatte, teilte diese Ansicht offensichtlich. Er hieß schon immer nur
R. Williams
. Deshalb lag es nahe …
    Jane zog sich einen Stuhl heran. «Wenn also jemand meine Fragen über Garway und die Tempelritter beantworten kann, dann …»
    Für Sie, Mr. Williams, ist die Pause leider gelaufen.
    «Verdammt», sagte Robbie milde. «Jetzt bin ich aber reingefallen, was?»
    Er musste auf die Pensionierung zugehen. Spärliches weißes Haar, Tweedjackett, leicht übergewichtig und – im Gegensatz zu den meisten seiner weichgespülten Kollegen – so eisern uncool, dass es fast schon wieder cool war.
    «Wissen Sie, die Kirche ist ja nicht gerade groß», sagte Jane. «Aber so voller Geheimnisse.»
    Sie würde ihm nicht sagen, dass sie noch gar nicht in der Kirche gewesen war, weil sie ja Mrs. Morningwood getroffen hatten und so. Aber es war auch egal, sie hatte im Gemeinschaftsraum am Computer gesessen und sich zwei oder drei Webseiten mit massenhaft Fotos von den Besonderheiten der Kirche angesehen – die Sargplatten der Templer im Boden, die rätselhaften Schnitzereien, die Überreste des kreisförmigen Kirchenschiffes …
    Robbie nahm seine Brille mit dem braunen Rahmen ab und sah an die Decke.
    «Die Sache ist die, Jane … Über die Tempelritter wird viel dummes Zeug geredet. Schon immer. Sie werden für Magier und Hüter unglaublicher Geheimnisse gehalten, aber tatsächlich waren sie ungebildete Analphabeten, jedenfalls die meisten. Es waren nicht mal Mönche, nicht im eigentlichen Sinn, es war einfach eine religiöse Bruderschaft, die zum Kampf in die Welt hinausgezogen ist.»
    «Aber sie kannten sich doch offensichtlich mit Magie und astrologischen Konstellationen und so aus.»
    «‹Offensichtlich› ist das überhaupt nicht, Mädchen. Im Mittelalter war die Magie eine hohe Wissenschaft, deren Erkenntnisse auf Latein und Griechisch festgehalten wurden. Wohl kaum was für Analphabeten.»
    «Ja, das war vielleicht eine Variante der Magie, aber mit all den Heilerinnen und den Beschwörern, die es auf dem Land gab? Wollen Sie etwa sagen, dass das alles Intellektuelle waren? Magisches Wissen hat doch schon immer auch was
Instinktives
gehabt, oder nicht? Also etwas, das überliefert wurde?»
    «Mündlich überliefert, ja, möglicherweise. Ich will nur sagen, dass das kunstvolle Netz aus Mythen, das um die Tempelritter gewoben wurde, nichts weiter als genau das ist.»
    «Aber das
wissen
Sie nicht. Sie wissen nicht, ob sie nicht –»
    «Die Templer sind eine sehr bequeme Projektionsfläche für alberne Verschwörungstheorien geworden. Sie müssen bedenken, dass ich –»
    «Aber Sie wissen nicht, ob sie nicht doch ein instinktives, spirituelles Gespür …»
    «– Geschichte unterrichte, Jane, nicht New Age-Theologie.»
    «O.k., Geschichte.» Jane konzentrierte sich. «Die Tempelritter standen mit den Zisterziensern in Verbindung, richtig?»
    «So lautet eine Theorie.»
    «Und die Zisterzienser waren dafür bekannt, sich der Erde verbunden zu fühlen, auf beinahe heidnische Art, oder? Sie haben sich immer an abgelegenen Orten niedergelassen, an denen sie sich selbst versorgen konnten. Und sie haben sich mit Sternenkonstellationen beschäftigt und kannten sich mit Landschaftsmustern und so aus.»
    «In gewissem Umfang.»
    «Und
das
haben sie sicher nicht auf Latein aufgeschrieben, oder? Und … o.k., wenn die Tempelritter nichts mit Magie am Hut hatten, was ist dann mit den Anschuldigungen, die gegen sie erhoben wurden? Über heimliche nächtliche Rituale?»
    «Diese Anklagen sind nicht bewiesen, Jane. Der Papst, Clemens V., hat sogar selbst erklärt, dass sie
nicht
bewiesen sind, aber er hat trotzdem beschlossen, den Orden der Tempelritter aufzulösen, weil diese Anschuldigungen die Templer zu sehr in Verruf gebracht hatten.»
    «Aber wenn Sie –»
    «Ah, Jane …» Robbie Williams lehnte sich mit verschränkten Armen zurück, lächelte fast liebevoll und schüttelte den Kopf. «Sie sind wirklich ein höchst ungewöhnliches Mädchen. Mir fällt kaum jemand anders in Ihrem Jahrgang ein, der einem Thema, das nicht mit einer bevorstehenden Prüfung zu tun hat, auch nur

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